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Die Katholische Kirche im Gebiet Kaliningrad

Von links: St. Adalbert-Kirche, Promenade am Pregel-Ufer. Rechts stehen die Schuppen für humanitäre Güter hinter der Kirche zur Heiligen Familie, Schwester M. Gisela, Bischof Nikolai Dubinin, Vater Marek Kolodziejski

Alle Aufnahmen gemacht von Yoder im June 2021.

 

 

Auf die Wiedererstarkung hoffen

 

K a l i n i n g r a d -- Die deutschen Lutheraner, die vor 20 Jahren im Gebiet Kaliningrad tätig waren, hegen warme Erinnerungen an die damalige Zusammenarbeit mit den Katholiken. Damals drehte es sich vor allem um das Ehepaar Helmut und Marlene Quirrenbach von der Kommunität „Lumen Christi“ im schwäbischen Maihingen sowie um Pater Eduard Prawdzik, der als Geistlicher in Gwardejsk (Tapiau) diente. Noch heute schwärmt Sergei Kiwenko, Gemeindevorsitzender in der lutherischen „Auferstehungskirche“, von der guten Zusammenarbeit mit der Wittenbergerin Schwester M. (Maria) Gisela Noky, die 1999 ins Gebiet kam. Er war früher Leiter des Kinderprojektes „Jablonka“; man half sich gegenseitig bei humanitären Lieferungen.

 

Dem Verfasser wurde erzählt von der herzlichen Zusammenarbeit im Dorf Lipki (bis 1938 Lenkimmen) südlich von Tschernjachowsk (Insterburg). Das Gemeindehaus war zuerst im Besitz der Evangelischen Kirche und Renovierungsarbeiten wurden auf ökumenischer Basis vorgenommen. Doch vor fünf Jahren wurde das Haus an die katholische Kirche verkauft; etwa seit diesem Zeitpunkt haben die Kontakte zwischen Katholiken und Lutheranern stark abgenommen. Allerdings bestehen weiterhin gute Kontakte zwischen beiden Kirchen in Tschernjachowsk.

 

Die Pandemie setzte natürlich auch den beiden katholischen Gemeinden der Stadt Kaliningrad zu. Die zweite auf Diakonie spezialisierte Gemeinde, die „Kirche zur Heiligen Familie“, befindet sich am Pregel-Ufer unweit vom Sackheimer Tor. Ab März 2020 war sie nur für rund sechs Wochen geschlossen, denn die Not der Sozialbedürftigen war durch das Virus noch vergrößert worden. Dennoch mußte diese Gemeinde im Januar 2021 nochmals für einen Monat schließen, da alle leitenden Mitarbeiter – einschließlich des weißrussischen Priesters Alexander Krewski -  an Covid erkrankt waren. Schwester Gisela hat eine Kollegin aus den Reihen der eigenen Schönstätter Marienschwestern: die 81-jährige Schwester M. Angelika Dubau aus Bautzen. Vor der Pandemie fanden sich in dieser Kirche rund 120 Menschen zur Sonntagsmesse zusammen; gegenwärtig sind es etwa 80.

 

Das Gelände der Kirche Heiligen Familie macht weiterhin einen sehr gepflegten Eindruck. Die Schuppen für humanitäre Güter sind gut in Schuß; der neue Fußboden in der Kirche trägt eindeutig zur Verschönerung bei.

 

Orthodoxie

Die Beziehungen zur Orthodoxie bleiben stabil auf relativ niedrigem Niveau. Ob es zu einer punktuellen Zusammenarbeit kommt, hängt stets von der Haltung des jeweiligen Priesters vor Ort ab. Schwester Gisela ließ wissen, recht zahlreiche Menschen sind zu ihr in den Konfirmandenunterricht gekommen, die sich dann anschießend lieber Orthodox taufen ließen. „Das ist ganz in Ordnung so“, versicherte sie. „Doch danach sollte man nicht zwischen den beiden Kirchen hin-und-her hopsen.“

 

Jahrelang hat sich die katholische Kirche bemüht, die ursprüngliche, 1907 eingeweihte Kirche zur Heiligen Familie zurückzubekommen. Im Jahre 1980 war die gerade sanierte Kirche als Konzerthalle und Sitz der Kaliningrader Philharmonie wieder eröffnet worden. Doch heute befindet sie sich im Besitz der Russischen Orthodoxen Kirche; es kann keineswegs mit einer Rückgabe gerechnet werden. Eine Mitarbeiterin versicherte: Unsere Flachbaukirche „ist bereits seit 30 Jahren im Dienst und kann somit keineswegs als vorübergehende Lösung angesehen werden“. Damals war die Fertigteilkirche aus Deutschland importiert worden.

 

Nikolai Dubinin (geb. 1973 bei Rostow am Don) hat seit 2020 seinen Sitz in St. Petersburg und ist als Bischof für das Gebiet Kaliningrad zuständig. In einem Gespräch mit dem Verfasser äußerte er seine Genugtuung darüber, daß Ortsprominenz der Beerdigungsfeier für Prälat Jerzy Steckiewicz in der Kaliningrader „Kirche des Heiligen Adalbert“ am 16. Dez. 2020 beigewohnt hatten. Dabei waren der junge Gebietsgouverneur Anton Alichanow sowie Serafim (Melkonjan), der Erzbischof von Kaliningrad und Baltijsk. Er ist seit 2001 der führende orthodoxe Geistliche im Gebiet. Bischof Dubinin berichtete, daß man das ausgesprochenen Beileid als aufrichtig empfunden habe. Der Pole Steckiewicz (geb. 1954) war seit Juli 1991 im Kaliningrader Gebiet tätig und somit ein Geistlicher der ersten Stunde.

 

Im Jahre 2021 jährt sich auch zum 30. Male die offizielle Wiederzulassung der Römisch-Katholischen Kirche im gesamten russischen Staat. Der Nachfolger von Steckiewicz als leitender Geistlicher im Gebiet ist sein Landsmann Pfarrer Marek Kolodziejski. Er ist seit Juni 2016 im Gebiet aktiv.

 

Die St. Adalbert-Kirche befindet sich in der Uliza Newskogo 78 an der Ausfallstraße nach Selenogradsk (Cranz). Die usprüngliche 1904 fertiggestellt Kirche diesen Namens befindet sich im Stadtteil Amalienau (heute Prospekt Pobiedy 41). „Wikipedia“ wußte im vergangenen Jahr zu berichten: „Nach dem Auszug (einer) Forschungsanstalt wird das unter Denkmalschutz stehende Gebäude für eine sakrale Nutzung durch die Russisch-Orthodoxe Kirche hergerichtet.“ Der Namensgeber, Adalbert von Prag, war Prußenmissionar und Märtyrer, der Anno 997 den Tod fand.

 

Die Zahlen im Vergleich

Bischof Dubinin, ein ethnischer Russe, betonte, daß seine Kirche die Nationalität ihrer Glieder nicht hervorzukehren versucht: „Wir wollen keine Kolonie von Ausländern sein. Wir wollen eben eine Hilfe für die Menschen sein, die sich hier vor Ort befinden.“

 

„Aus Solidarität“ seien nach 1991 Katholiken aus aller Herren Länder in die ehemalige Sowjetunion geströmt. Unter den rund 20 Menschen, die heute im Gebiet ein geistliches Amt vollamtlich bekleiden, gibt es Priester und Ordensmitglieder aus Polen, Litauen, der Slowakei, Deutschland und Belarus. Der für Gwardejsk verantwortliche Geistliche ist sogar Indonesier.

 

Die erste Messe sonntags in der Hauptkirche wird auf Polnisch abgehalten; abends finden mehrmals wöchentlich in der Kirche zur Heiligen Familie Messen auf Litauisch statt. Man richtet sich nach dem Bedarf. Messen auf Spanisch, Deutsch, Slowakisch und Englisch wären möglich, „doch überall bleibt Russisch die Grundsprache“.  Man hält sich auch für ausländische Studenten bereit - schließlich befindet sich die Adalbert-Kirche in Universitätsnähe. Die Kinderarbeit in Mamonowo (Heiligenbeil) u.a. setzt sich fort; das vom Ehepaar Quirrenbach vorangetriebene Sommerlager in Kulikowo (Strobjehnen) bei Pionerski (Neukuhren) arbeitet bis heute.

 

Im Gebiet Kaliningrad gibt es 14 römisch-katholische Ortsgemeinden mit einer unbestätigten Zahl von 2.000 Gliedern; zu den bekanntesten zählen die beiden Kirchen in Kaliningrad sowie Tschnerjachowsk, Sowjetsk (Tilsit), Gwardejsk und Snamensk (Wehlau). Im Jahre 2020 berichtete die orthodoxe Kirche von 72 Geistlichen und 12 Mönchen im Gebiet; die lutherische Kirche verfügt über vier vollamtlich tätige Geistliche.

 

Trotz bürokratischer Hürden hat sich im letzten Jahrzehnt vieles für die katholischen Christen Rußlands stabilisiert. Noch vor 15 Jahren mußten streckenweise Priester im Gebiet, die polnische Staatsbürger waren, wöchentlich nach Polen ausreisen. Doch Bischof Dubinin betonte, daß die damaligen Restriktionen viele im Lande lebenden Ausländer tangierten, nicht nur Katholiken. Heute verfügen nicht wenige Geistliche über eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Seit Juli 2020 ist es sogar gesetzlich möglich, ohne Verzicht auf die ursprüngliche Staatsbürgerschaft die russische anzunehmen. Auch das hat das Leben katholischer Geistlicher erleichtert.

 

Bekanntlich grenzt die Exklave Kaliningrad an zwei Staaten, die Rußland als Gegner begreifen. Beide Staaten sind mehrheitlich katholisch. Dubinin versicherte: „Wir wollen Brücken bauen. Auch wenn die Beziehungen zwischen Staaten schlecht sind, hält das die Bürger nicht davon ab, sich anzufreunden. Wichtig für uns ist die Stimme des Papstes Franziskus in seiner Enzyklika vom 3. Oktober 2020. Wir sind alle ‚Brüder’ und wollen auf der Basis ein brüderliches Verhältnis aufbauen. Nur so kann die menschliche Gesellschaft geschaffen werden.“

 

Mein Kommentar: Man darf sicherlich davon ausgehen, daß Katholiken im Gebiet Kaliningrad auch zu den Evangelischen hin Brücken schlagen wollen. Es gibt eben vieles, in welchem die Katholiken – und Orthodoxe - den Lutheranern eine Hilfe sein könnten. Laßt uns auf die Wiedererstarkung gegenseitiger Beziehungen hoffen.

 

Dr. phil. William Yoder
Laduschkin, den 23. Juni 2021

 

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