An der Qualität mangelt es noch
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Beobachtungen nach einem Besuch in China
Kommentar
L a d u s c h k i n – Das kirchliche Leben Chinas erschien völlig sorglos, als ich am 14. Juli die “Shanghai Community Church” im Westen der Stadt aufsuchte. Diese einst anglikanische Gemeinde bietet an Sonntagen vier Gottesdienste, entweder in Chinesisch oder Englisch, an. Die gesamte Besucherzahl an dem Tage erreichte fast 3.000; 40 bis 50 Nationen, viele aus dem subsaharischen Afrika, waren bei den beiden lebhaft-und-bunten, englischsprachigen Gottesdiensten vertreten. Für jemanden aus dem protestantisch-schwachen Rußland sind derartige Zahlen erstaunlich. Eine brasilianische Studentin erläuterte, daß es in China für Studenten aus der Zweidrittelwelt sehr viel mehr Visa und Stipendien gibt, als etwa in Westeuropa – das Reiseziel erster Wahl.
Ich war aus Moskau eingetroffen gerade nach der ernüchternden Lektüre eines vertraulichen Berichts über die chinesische Kirche. Der Verfasser, ein langjähriger
Besucher und zeitweiliger Bewohner Chinas, hatte behauptet: „Wir sind heute den Zuständen der 60er und 70er Jahre näher als je zuvor.“ Er berief sich dabei auf Pastoren der offiziellen
Drei-Selbst-Kirche, die versicherten, es handele sich heute „um die systematischste Unterdrückung seit der Kulturrevolution“ (1966-78). Er fuhr fort: „Die Kommunistische Partei Chinas hat unter
der Führung von Parteisekretär Xi Jinping einen Kurswechsel vollbracht.“ Es ist Ausländern nicht mehr möglich, sich ohne die Genehmigung staatlicher Stellen mit höhergestellten Kirchenvertretern
zu treffen – und das Verfahren kann Monate in Anspruch nehmen. In manchen Gegenden ist es bereits Minderjährigen untersagt, den Gottesdienst zu besuchen oder religiöse Unterweisung in Anspruch zu
nehmen. Bibeln sind nur in Kirchen oder in kircheneigenen Buchhandlungen zu erwerben. Vor dem Eingang mancher Kirchen sind Videokameras angebracht. In manchen Fällen müssen Predigttexte zuerst
eine Staatszensur passieren. Pädagogen und andere Intellektuelle werden unter Druck gesetzt, auf den Kirchgang zu verzichten. In bestimmten Fällen sind Pastoren angehalten, Kurse zum Thema
Patriotismus zu besuchen.
Die Nachricht schaffte es in die “New York Times”, als am 9. Januar 2018 Behörden die “Golden Lampstand Church”, in der Stadt Linfen/Provinz Shanxi, in die Luft jagte. Der gewaltige Bau hatte mindestens 1.000 Besucher beherbergen können und eine Million US-Dollar gekostet. Doch aus den Westmedien war nicht zu erfahren, daß Beobachter vor Ort den Untergang des Gebäudes auf Verstöße gegen die Baubestimmungen und die Weigerung der Gemeindevertreter, sich auf Verhandlungen einzulassen, zurückführen.
Diese Kirche in Linfen gehörte der nichtregistrierten Hauskirchenbewegung an. Es sind jedoch die registrierten Gemeinden der Drei-Selbst-Bewegung, die die Hauptleidtragenden beim gegenwärtigen Durchgreifen des Staates darstellen. Ähnlich dem Versuch, Gelee an die Wand zu nageln, zeigt es sich als viel schwieriger, die Tausenden von Hausgemeinschaften zu orten und dingfest zu machen. Der Beobachter weist darauf hin, daß neue Maßnahmen „zuerst in einer einzigen Provinz ausprobiert werden. Die Reaktion und Durchführung werden dann erst überprüft und notfalls modifiziert, ehe sie auf weitere Städte und Provinzen ausgeweitet werden. Deshalb kann einem die Durchführung neuer Richtlinien sehr willkürlich vorkommen. Von daher ist es auch schwierig, Pauschalurteile zu fällen.“
Gewaltige Kirchenbauten, Ausbildungszentren, beachtliche Budgets und auffällige, beleuchtete Kreuze, die kilometerweit zu erkennen sind, ärgern die Behörden. Der Beobachter folgert: „Die Gesellschaft im Allgemeinen sieht im Christentum weiterhin eine westliche Religion, die aus der Ära des Imperialismus stammt. Die Kanonenboote sind nicht mehr auf der Lauer, um die Sicherheit von Missionaren zu garantieren. Dennoch bleibt es Konsens, daß der Westen weiterhin das Christentum als Mittel einsetzt, um ein politisches Programm durchzudrücken. Die Kommunistische Partei beargwöhnt Körperschaften mit Anhängerschaft, erst recht wenn es sich Millionen von Mitgliedern und großen Geldsummen handelt. Wenn parteifreie Organisationen bestehen wollen, müssen sie sich in allen wesentlichen Fragen der Macht und Kontrolle der Partei unterwerfen.“
Was die Hauskirchen wollen
Bis 1951 waren nahezu alle ausländischen Missionare des Landes verwiesen worden. Das Öffnen der Schleusen nach 1979 (Mao war seit drei Jahren tot) brachte dann die Wiederkehr der Missionare aus Nordamerika und Südkorea mit sich. Dabei muß darauf verwiesen werden, daß die Koreaner sowohl aus Südkorea wie aus den USA eingetroffen sind. Auslandschinesen waren auch mit von der Partie. Der Denominationalismus kehrte in alter Blüte zurück. Angesichts der Tatsache, daß Südkorea mehr als 120 selbständige Denominationen namens “Presbyterian Church of Korea“ zu bieten hat, braucht dies auch niemanden zu wundern. Korea weist ferner vier verschiedene Evangelische Allianzen auf. Das Hochhalten der eigenen Benennung auf Kosten der anderen hat den kircheninternen Widerstreit angeheizt. Bald konnte die „Drei-Selbst-Bewegung“ für nicht mehr als rund 40% der Christen sprechen; somit wurde sie zu einer Denomination unter anderen.
Beobachter im Lande versichern, die Hauskirchenbewegung träume vom Ablösen des kommunistischen Staates durch einen christlichen. Christliche Werte sollen die sozialistischen ersetzen. Inzwischen soll die Mehrheit aller Hausgemeinden charismatisch sein; ihre Parteinahme für Israel und das Betonen von Mission unter Muslimen weisen auf westliche Vorbilder hin. Trotz Jahrzehnte anti-imperialistischer Unterweisung hat sich die offizielle Drei-Selbst-Bewegung als unwillig oder unfähig erwiesen, sich dem gegenwärtigen Trend zu widersetzen. Die Bewegung zum Chinesisch-Werden - etwa „Sinologisierung“ – der Kirche wurde offensichtlich nach 1979 größtenteils eingestellt. Nach manchen Beobachtern werden die Drei-Selbst nun von der Partei abgestraft dafür, daß sie die Stellung nicht gehalten hat.
Der in Hong Kong wirkende presbyterianische Theologe Philip Wickeri (geb. 1947) hat ausführlich über das Versagen der Missionare im vorrevolutionären China, zwischen dem christlichen Glauben und dem „Christentum“ zu unterscheiden, geschrieben. Beispielsweise haben der in China geborene Henry R. Luce (1898-1967), der Gründer der Zeitschrift “Time”, und sein Vater, der presbyterianische Missionar Henry W. Luce, den christlichen Glauben im Tandem mit der (bürgerlichen) Demokratie verbreiten wollen. Dieses den Chinesen angebotene Paket beinhaltete sehr viel mehr als nur das „reine Evangelium“ – es sprudelte auch vor westlicher Kultur und Politik über. Der eingangs erwähnte Verfasser klagt, daß sich Gruppen aus Nordamerika heute „eher um Unterstützung für ihre politischen Auffassungen buhlen, als um den Aufbau einer Kirche, die dem chinesischen Kontext entspricht“.
Zahlreiche Christen in China äußern ihren Unmut über Exilchinesen, die mit finanzieller Unterstützung der politischen Gegner ihres Staates die Fahne der Glaubensfreiheit hochhalten. Die „ChinaAid“ von Bob (Xiqiu) Fu, die er 2002 ins Leben rief, verzichtet auf alle diplomatischen Feinheiten. Mit Unterstützung des US-Staates tritt sie für Sanktionen ein und bedient sich einer drastischen Terminologie. Sie gebraucht höchst inflationäre Begriffe wie „Folter“. Zwei führende Sponsoren der „ChinaAid“ sind die NGOs “National Endowment for Democracy” and “Freedom House” (siehe “www.chinaaid.org”). Da es eben die Chinesen in China sind, die mit den Maßnahmen ihres Staates zu leben haben, nehmen die meisten Abstand von den Schilderungen der “ChinaAid”. Diese Gläubigen werfen Organisationen wie dieser vor, die Lage Chinas so zu stutzen, daß sie den vorgefaßten Meinungen der westlichen Zuhörer und Förderer entspricht.
Ein in China lebender, chinesischer Wiedertäufer meint, nordamerikanische Missionare seien „vor allem von der eigenen Überlegenheit überzeugt“. Nach ihm seien die Südkoreaner in diesem Bereich weniger schuldig. Dennoch sei die koreanische Missionsarbeit in seinem Lande „stärker fokussiert, radikaler und äußerst anti-kommunistisch“. Er folgert: „Darum richten die Koreaner mehr Schaden als die Amerikaner an.“ Die Lexionen, die einer verblichenen Ära zu entnehmen wären, hat die jüngste Schar von Missionaren, die seit 1979 eingetroffen ist, nicht beherzigt.
Es wäre jedoch ungerecht zu behaupten, westliche Missionare hätten mit Gewalt die eigene Kultur den Han-Chinesen aufgedrückt. Bei dem chinesischsprachigen Gottesdienst, den ich in der genannten Shanghaier Gemeinde aufsuchte, beschränkte sich die bürgerliche Versammlung auf ein erweckungsbetontes, angelsächsisches Liedgut aus dem 19. Jahrhundert. Diese Melodien gehören im Westen größtenteils der Vergangenheit an. Wird es ausgerechnet die Chinesen sein, die am längsten auf die westlichen Kirchenlieder des vorvorigen Jahrhunderts stehen?
Beobachter beklagen die mangelnde Theologiebildung der 50 bis 70 Millionen Protestanten des Landes. Der Gottesdienst in Shanghai untermauerte diesen Verdacht. Es ging bei der Predigt um die Sekten, doch darüber wurde wenig erzählt außer der Tatsache, daß man ihnen wegen der Bedrohung von Sicherheit und physischer Unversehrtheit fernbleiben sollte. Die recht bekannte Sekte „Eastern Lightning“ (Östlicher Blitz) wurde genannt, doch die Begriffe „Sekte“ oder „Kult“ wurden nicht definiert. Eine Erläuterung der Anziehungskraft von Kulten und Hinweise darüber, wie man gefährdete Personen anzusprechen hätte, fehlten gänzlich.
1949 – Können wir mit einer zweiten Runde rechnen?
Aufgrund des hohen Ausmaßes westlicher Präsenz und einer sich neu erstarkenden chinesischen Staates kann man der Frage nicht ausweichen, ob sich die Maßnahmen von 1949-50 wiederholen werden. Es kommt einem wie eine Wiederholung von 1950 vor, wenn der Beobachter vom Anfang dieses Aufsatzes schreibt: „Der Staat macht Druck auf die Kirche, einen christlichen Glauben frei von westlichem Einfluß zu entwickeln, der sich als vollkommen chinesisch versteht.“ Er fährt fort: „Die Kirche hat sich viel zu bequem eingerichtet und setzt nun auf ihre großen Zahlen, zahlreichen Programme, modernen Gebäude und ihr Reichtum. Doch einige Pastoren sehen durchaus ein, daß sie sich übermäßig stark dem Aufbau des eigenen Reiches gewidmet haben.“
Jeff J. Brown, ein säkularer, in Beijing wohnhafter Journalist aus USA, behauptet, der chinesische Staat habe seine sozialistischen Zielsetzungen nie aufgegeben. Inzwischen sei ihm aber bewußt, daß auf dem Wege vom Kapitalismus zum Kommunismus keine Phase übersprungen werden darf. Das bedeutet u.a., daß eine Gesellschaft erst sozialistisch werden kann, nachdem sie Reichtümer angehäuft hat. Eine Gesellschaft kann erst ihre Reichtümer verteilen, wenn sie auch tatsächlich welche besitzt. Eine Jahresangabe, die der Staat für das Erringen des Sozialismus macht, lautet 2050. Brown sieht wohl im Staatskapitalismus einen notwendigen Vorboten auf dem Wege zum Sozialismus/Kommunismus. Egon Krenz (geb. 1937), das letzte kommunistische Oberhaupt der DDR, äußert sich in seinem Buch über China in ähnlicher Weise.
Die Auffassung vor einem Monat in Shanghai lautete, daß Hong Kong trotz aller Unruhen seinen gegenwärtigen Kurs fortsetzen wird. Hong Kong ist nicht mehr das wirtschaftliche Schaufenster für China; diese wirtschaftliche Sonderzone wird sich damit abfinden müssen, daß sie keine mehr ist. Der Koloß nebenan bleibt unwiderstehlich. Die begüterte, englischsprachige Schicht hat bereits begonnen, sich in Richtung Kanada und USA zu verabschieden. Die Lücken, die sie hinterläßt, werden von bereitwilligen Zugereisten vom Festland geschlossen. Der kantonesische Dialekt der einstigen Kolonie wird bereits durch das Mandarinische ersetzt; das Chinesischwerden bleibt nur noch eine Frage der Zeit.
Festland-Chinesen leuchtet es meistens nicht ein, weshalb der Insel Hong Kong eine privilegierte Sonderrolle eingeräumt werden sollte. Doch genießen viele Christen die Sonderrolle Hong Kongs als Sicherheitsventil. Nicht wenige Missionen, Verleger und Bildungseinrichtungen behalten Hong Kong weiterhin als Operationsbase für ihre Tätigkeiten in Festland-China.
Die Gläubigen, mit denen ich mich in China unterhielt, stören sich an einer Theologie, die sie als reformiert/kalvinistisch bezeichnen. Sie soll sowohl in registrierten wie in nichtregistrierten Gemeinden verbreitet sein. Seit 1980 sind mehr als 300 Bücher aus dieser Richtung übersetzt und publiziert worden. Die Hauptstoßkraft hinter dieser Bewegung sind presbyterianische und pfingstlerische Kräfte aus Südkorea und den USA. Mehrere Leiter von Hauskirchen räumten kürzlich ein, daß sie mit einer Theologie, die von einer triumphierenden Kirche und einem ausgeprägten Exzeptionalismus ausgeht, groß geworden sind. Dahinter steckte die Absicht, dem kommunistischen Staat auf dem Schlachtfeld der Politik Paroli zu bieten. Diese Weltanschauung hält die Menschenrechte hoch, während sie auf Regierungswechsel zielt. Das höchste Ziel bleibt ein christliches China analog zum US-amerikanischen Vorbild.
Doch meine alternativ-christlichen Gesprächspartner versicherten mir, daß der Traum eines evangelikal-geführten Staates nicht verwirklicht werden kann. Der chinesische Staat ist zu populär, zu stark, zu erfolgreich und selbstsicher, um irgendwann in absehbarer Zeit die Zügel aus der Hand zu geben. Sie warnten: „Ein derartiges Denken würde der chinesischen Kirche großen Schaden zufügen.“
Die Eliten von China – und Rußland – stehen nicht mehr an bei McDonalds. Sie sind vom Westen enttäuscht. Das Land, in dem sie aufgewachsen sind, unterscheidet sich wesentlich von dem Land ihrer Eltern und Großeltern. Ein Zitat: „Sie sind patriotisch und stolz auf die Errungenschaften ihres Landes. Wenn ausländische Christen einen Mangel an Demut und die Nichtbereitschaft, zuzuhören, an den Tag legen, reagieren sie mit Mißtrauen und Mißgunst.“
„Runde Zwei“ wird folglich keine genaue Kopie der ersten sein. Heute gibt es bis zu 70 Millionen Protestanten in China – 1950 waren es gerade 2,5 Millionen. Der riesige Auslandshandel des Landes und die entsprechenden Auslandskontakte lassen sich nicht in den Isolationismus von vor 70 Jahren zurückverwandeln. Heute gibt es eine mächtige südkoreanische Kirche nebenan. Doch nach einem ausgedehnten Ausflug in die westliche Welt, wird die Kirche abermals eine chinesische Kirche werden müssen.
Die “Lösung”
Eine Gruppe von Dissidenten auf der Kirchenszene um Shanghai bezeichnet sich als “Wiedertäufer”. Sie drücken Verständnis für die Vorhaltungen des Staats gegenüber der christlichen Schar aus und bestehen darauf, daß die Kirche über keinerlei Mandat verfüge, um die politische Macht zu ringen oder einen christlichen Staat herbeizuführen. „Wir lassen uns nicht auf säkulare Mittel ein, um die Auffassungen von Menschen zu steuern.“ Als Minderheit fühlen wir uns wohl; auch dann können wir zum Wohl des Ganzen beitragen. „Wir streben nicht nach Geld und Macht. Wir wollen einfach Kirche sein. Wir on China verfügen bereits über eine große Zahl von Christen – was uns noch fehlt, ist die Qualität“.
Dieses Grüppchen ist nicht völlig auf sich gestellt. Ein Insider nennt einen hohen Vertreter der Drei-Selbst-Bewegung „einen überzeugten Wiedertäufer, der meint, nur eine Lossagung vom Versuch, ein neues „Christentum“ zu schaffen, führe in die Freihet. Dem Staat soll klargemacht werden, daß die Christen keine politische Bedrohung darstellen.“ Gläubige sollten „der Gesellschaft verdeutlichen, daß sie keine Werkzeuge des Westens sind“.
Dieser Beobachter meint, „daß wir uns an einer entscheidenden Weichenstellung befinden. Wir können mit der Überzeugung fortfahren, daß die Kommunistische Partei der Feind ist, doch das wird die Jugend in eine schwierige Zwangslage bringen. Das wäre ein Dilemma, das uns von auswärts aufgezwungen wird. Dann wird die Kirche letztlich auch Gegnerin des Volkes und nicht nur des Staates.“
Ein weiterer, chinesischer Täufer und Professor nahm bei einem Vortrag in Hong Kong im Juni 2019 Abstand von einer sogenannten „Reich-Theologie“, die Politik und Glaube als Einheit versteht. Er verwarf ebenfalls ein überwiegend pfingstlerisches Modell des Konsums, das „im Namen von Ruhm und Wohlstand den Leuten mit allerlei Gütern ausstattet“. Das „proaktive Missionsmodell“, das er propagiert, geht davon aus, daß die Christenheit eine gesellschaftliche Minderheit bleiben wird. Christen sollten „die Lehre Christi befolgen und seine Jünger werden“.
Derartige Auffassungen, die annehmen, daß es einen Raum für gemeinsame Aktionen von Christen und Andersdenkenden gibt, erinnert an das „Christliche Manifesto“ von 1951. Bis zu diesem Jahr hatten 417.000 chinesische Christen die Stellungnahme unterschrieben. Immerhin reicht die Bereitschaft, einen modus vivendi und einen gemeinsamen Boden mit atheistischen und sozialistischen Regierungen zu finden, weit über die Schranken einer eindeutig täuferischen Theologie hinaus. Sie erinnert an die in Prag beheimatete „Christliche Friedenskonferenz“, die 1958 von Jozef Hromádka (1889-1969) und anderen ins Leben gerufen worden ist.
Anfang Juli äußerte sich der Moskauer Witali Wlasenko, Internationaler Botschafter der Russischen Evangelischen Allianz, über die zunehmend repressiven Maßnahmen seines Staates gegenüber Protestanten. „Die Probleme, die wir haben, sind politischer, nicht juristischer Natur,“ insistierte er. Anwälte werden mit Hinweisen auf das Gesetz dem Staat keine neue Handlungsweise aufzwingen können – was eben auch für Sanktionen von auswärts zutrifft. Seiner Überzeugung nach kann eine vertrauensvolle Diplomatie von Angesicht-zu-Angesicht die Mächtigen am ehesten überzeugen, sich anders zu verhalten.
Trotz allem bleibt der am Anfang erwähnte Beobachter aus USA vorsichtig optimistisch. „Das Evangelisieren ist in China nicht allzu schwierig“, versichert er. „Die chinesische Gesellschaft ist viel offener als die japanische, denn es steht keine historische Religion dem Evangelisieren entgegen. Wir müssen dem Staat und der Gesellschaft nur klarmachen“, daß es sich beim christlichen Glauben um einen andersartigen und völlig einzigartigen Glauben handelt.
Nachtrag: Im August 2019 zog Jeff J. Brown nach Chiang Mai in Thailand um.
Dr. phil. William Yoder
Laduschkin, Gebiet Kaliningrad/Rußland, 1. September 2019
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