Ein parteilicher Ausstieg aus der Käseglocke
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Der ukrainische Baptismus seit Anfang 2014
Dieser Aufsatz wurde für ein Sammelwerk verfaßt, das Prof. Erich Geldbach/Mageburg herausbringen wird. Er wiederholt einiges, was ich bereits in früheren Aufsätzen erwähnt habe. --wy
G w a r d e j s k – Der aus Rußland stammende Michail Tscherenkow (auch „Mykhailo Tscherenkoff“), ein Vordenker des ukrainischen Baptismus, gehört zu denen, die für die Etablierung eines „modernen“, weltoffenen, ukrainischen Protestantismus plädieren. Das US-Modell zum Vorbild nehmend, will sich diese evangelikale Bewegung von der vermeintlich muffigen, kuscheligen und sektiererischen Kirchenkultur der Sowjetära verabschieden und den Sprung in die breite Öffentlichkeit wagen. Die Anliegen des Volkes sollen auch das Anliegen der Protestanten sein; in den politischen Belangen will man nicht mehr abseitsstehen. Diese Kirche will modern, zukunftsorientiert, innovativ und westlich sein (siehe die Zürcher “Religion und Gesellschaft in Ost und West”, Ausgabe 2/2015). Dieser Ausstieg aus der Käseglocke ist ein höchst parteilicher Vorgang, denn er geht mit einer uneingeschränkten Parteinahme für das politische und militärisch-strategische Vorgehen des jetzigen Kiewer Staates einher.
Tscherenkow ist neben Direktor Sergei Rachuba ein Hauptvertreter der in Wheaton bei Chicago beheimateten „Mission Eurasia“. Rachuba ist ein aus der
Ost-Ukraine ausgewanderten Bewohner der USA. Tscherenkow lebt in Irpen bei Kiew, hält sich jedoch seit Juli 2018 für mehrere Jahre bei dieser Mission im US-Bundesstaat Illinois auf.
Ganz also ob es die Zweidrittel-Welt nicht gäbe, setzen sich die Mission Eurasia und die baptistische Bundesleitung in Kiew mit wenig Rücksicht auf Verluste für die Lesart des politischen Westens ein. Schon im Sommer 2014 hieß es aus der Baptistenzentrale heraus: „Unsere Brüder in Rußland haben Putin mehr geglaubt als uns.“ Dabei gilt der umgekehrte Vorwurf ebenso: Die Ukrainer haben Victoria Nuland und US-Senator John McCain mehr geglaubt als den Verwandten und Glaubensgeschwistern nebenan.
Waleri Antoniuk, Präsident der „All-Ukrainischen Union von Kirchen der Evangeliumschristen-Baptisten“, verteidigte 2014 den gewaltsamen Machtwechsel von Februar jenen Jahres mit einem Verweis auf Dietrich Bonhoeffer und dessen Rechtfertigung des ethischen Grenzfalls Tyrannenmord: „Gehorsam gegenüber Tyrannen ist Ungehorsam gegenüber Gott.“ In Kirchenbüros und den sozialen Medien werden die Russen aufgefordert, einen neuen Dietrich Bonhoeffer hervorzubringen, der mutig die Schlacht gegen Wladimir Putin und den Kreml aufnimmt.
Traditionelle, eher unpolitische Baptisten haben den baptistischen Laienprediger Oleksander Turtschynow dafür kritisiert, daß er von Februar bis Juni 2014 als ukrainischer Interimspräsident fungierte. Doch Antoniuk nahm ihn in Schutz: "Als Martin Luther King (1963) seine berühmte Rede 'Ich habe einen Traum' hielt, haben nicht alle amerikanischen Christen Beifall geklatscht. Nur im Nachhinein und im Laufe der Zeit kamen sie zu der Erkenntnis, daß es der Herr war, der ihn geführt hatte."
Es läßt sich konstatieren, die in Amsterdam beheimatete „Europäische Baptistische Föderation“ (EBF) habe den ukrainischen Baptistenbund bei seinem geostrategischen Bündniswechsel unterstützt. Ein „Hearing“ europäischer Baptisten im Londoner Lambeth Palace am 28. April 2015 ähnelte eher einer Solidaritätskundgebung als einer Friedenskundgebung. Dabei hatten sich Juri Sipko (Präsident des russischen Baptistenbundes 2002-2010) und Michail Panotschko an den Händen gehalten während sie für die Menschen in der Ukraine beteten. Panotschko ist Leitender Bischof der „All-Ukrainischen Union der Evangelischen, Christlichen Kirchen – Pfingstler“. Doch als Erwiderung auf einen Friedensaufruf versicherte Panotschko, daß Versöhnung inmitten eines Krieges „dem Flicken des Daches eines Hauses inmitten eines Wirbelsturms gleichkommt. Die Versöhnung beginnt erst wenn das Feuer gelöscht worden ist.“ Oleksandr Turtschynow, Sicherheit- und Verteidigungschef der Ukraine, ist auch nicht der einzige Baptist, der zu einem Durchhalten bis zum militärischen Endsieg aufruft. In London geißelte der ehemalige Baptist Anatoli Kaluschni, Bischof der “Union der Selbständigen Evangelischen Kirchen der Ukraine“, die Politik Putins als „die Werke des Antichristen“.
Die Radikalität der Kiewer Haltung
Den Angaben von Insidern zufolge ist das Gespräch zwischen den vor allem pfingstlerischen Kirchenleitungen aus Rußland und der Ukraine in Jerusalem am 10. April 2014 an einer Forderung der ukrainischen Seite gescheitert. Es hatte damals geheißen: Erst nachdem sich alle einig geworden sind, daß Russland der Aggressor sei, sollten die Verhandlungen beginnen. Ein entscheidender Verhandlungsgegenstand – die Wertung des auf dem Maidan Vorgefallenen – sollte noch vor Aufnahme der Verhandlungen vorentschieden werden.
Der englische Historiker Richard Sakwa berichtet von zwei überragenden Strategien in der Ukraine. Laut Sakwa besagt die vor allem in der westlichen Ukraine vertretene „monistische“ Sicht, die Ukraine sei „eine bodenständige kulturelle und politische Einheit“. Deshalb habe das Land die Aufgabe, „die ukrainische Sprache zu verstärken, das imperiale Erbe der Zaren und Sowjets zu verwerfen, die politische Schlagkraft der Russischsprachigen zu vermindern und das Land von Rußland weg und nach ‚Europa‘ hin zu bewegen.“
Die „pluralistische“ Sicht hingegen „unterstreicht die Unterschiedlichkeit der historischen und kulturellen Erfahrungen der ukrainischen Regionen“. Die Schaffung eines erfolgreichen Rechtsstaates erfordert „die Annahme der Zweisprachigkeit, gegenseitige Toleranz gegenüber den unterschiedlichen Traditionen und eine Verlegung der Macht vom Zentrum in die Regionen“. (Hierfür plädiert auch der russische Staat.)
Doch schon in den 90er Jahren hatten sich die Protestanten der Ukraine für die monistische Option entschieden. In einem Brief an den Staatspräsidenten Janukowitsch vom 3. Juli 2012 protestierten neun Denominationen gegen das Ansinnen, Russisch als zweite Amtssprache in bestimmten Gebieten zuzulassen. Zu den Unterzeichnern zählten der Baptistenbund und zwei Pfingstkirchen. Laut dieses Schreibens vertieft die Zweisprachigkeit „die gesellschaftliche Aufteilung, die politische Gegenwehr und untergräbt das Fundament des ukrainischen Staates“. Es ist nicht schwer, sich die Reaktion auf diesen Brief auf der Krim und in der Ost-Ukraine auszumalen. Russisch ist bekanntlich die einzige Sprache, die nahezu alle ukrainischen Staatsbürger beherrschen. So wurden die ukrainischen Protestanten für die spätere Aufspaltung ihres Mehrvölkerstaates mitverantwortlich.
Zu den „Gewinnern“ von Maidan gehören auch die seit 1596 bestehende „Unierte“, bzw. Griechisch-Katholische Kirche. Es läßt sich mühelos belegen, daß sie im II. Weltkrieg am Holocaust – und an der Liquidierung des Polentums in Galizien – beteiligt war. Dafür u.a. wurde sie von der UdSSR vehement verfolgt. Seit Anfang der 90er Jahre fühlt sich diese Kirche mit den Protestanten der Ukraine eng verbunden; sie begreifen sich als Verbündete im Kampf gegen ein übermächtiges Moskauer Patriarchat.
Die heutige Ukraine versteht sich in der Tradition von antisowjetischen, faschistoiden und faschistischen Bewegungen. Turtschynow wird als ein Befehlshaber des rechtsextremen Regiments Asow eingestuft. Der baptistische Abgeordnete Pawel Ungurjan aus Odessa machte es nichts aus, am 21. März 2017 einen hohen Orden vom ukrainischen Parlamentspräsidenten Andrij Parubij entgegenzunehmen. Parubij hatte 1991 gemeinsam mit Oleh Tjahnybok die rechtsextreme “Sozial-Nationale Partei der Ukraine“ ins Leben gerufen. Am 4. Oktober 2018 stattete eine Spitzendelegation, die u.a. die beiden Präsidenten und General-Sekretäre der EBF und des Baptistischen Weltbundes sowie die Leitung des ukrainischen Bundes umfaßte, Parubij in seinem Kiewer Büro einen offiziellen Besuch ab. Andrij Parubij ist der ranghöchste faschistische Politiker der Ukraine: sein äußerst fragwürdiges Wirken bei den Maidaner Schießereien im Februar 2014 bleibt bis dato im Dunkeln.
Dennoch erkennen die mit Kiew liierten Protestanten in ihrem Lande keine braune Gefahr. „Der einzige echte Faschist ist Wladimir Putin“, versicherte dem Verfasser ein Spitzenvertreter des Baptistenbundes in Kiew am 2. April 2015. Nach Tscherenkows Überzeugung führe nur die Kiewer Ukraine einen konsequenten Kampf auf beiden Fronten - gegen Kommunismus und Faschismus. Das sieht der israelische Staat anders. Trotz aller geopolitischen Gegensätze sind sich Israel und Rußland einig im Widerstand gegen die durch Mitwirkung am Holocaust kompromittierten Kräfte Osteuropas.
Ferner sollten Zweifler, die die Auseinandersetzung in der Ost-Ukraine als „Bürgerkrieg“ begreifen, mit einer Verbannung und Ächtung durch den Baptistenbund rechnen. Konkrete Fälle sind dem Verfasser bekannt. In der Ost-Ukraine darf es sich nach Kiewer Lesart nur um eine „russische Aggression“ handeln.
In der Frontstadt Mariupol beteiligt sich der Pfingstpastor und Leiter eines Waisenhauses, Gennadi Mochnenko, am militärischen Kampf gegen den östlichen Nachbarn. Dieser häufige Besucher der USA ist bekannt u.a. dafür, den Tod des 500. Kämpfers der „Separatisten“ gefeiert zu haben und auch für seine öffentlich bekundete Bereitschaft, Wladimir Putin eigenhändig zu liquidieren. Am 5. Mai 2018 veröffentlichte Michail Tscherenkow auf Facebook ein Foto zweier seiner Töchter. Sie zeigen sich bewaffnet und in Kriegsmontur; beide scheinen etwa zehn Jahre alt zu sein. Ähnliches hat es bei den Protestanten auf russischem Boden noch nicht gegeben.
Die Haltung der russischen Protestanten
Der US-Mennonit und Dozent Harley Wagler, der seit 1994 in Nischni Nowgorod/Rußland lebt, beschreibt den Unterschied zwischen den ukrainischen und russischen
Baptisten als theologisch. Er schrieb 2015: “Gegenwärtig werden die russischen Evangelikalen von den ukrainischen an den Pranger gestellt. Ihnen wird vorgeworfen, Käuflinge Putins zu sein. Der
Unterschied ist jedoch theologischer Natur. Russen sagen, die Kirche solle die Regierung ehren, auch wenn sie fehlerhaft sei, denn die Kirche stelle ein anderes Reich dar. Auch in den schlimmsten
Jahren Stalins haben Baptisten den Staat nie kritisiert und erwiderten einfach, daß sie einer höheren Berufung nachgehen. Man denkt in diesem Zusammenhang an den Baptisten Aljoscha in
Soltschenizyns 'Ein Tag im Leben des Iwan Denissowitsch'.“
“In der Ukraine haben die Evangelikalen die entgegengesetzte Position eingenommen. Nun versichern sie, daß sie ihrem neuen Staat unter die Arme greifen müssen, daß
dies ihre patriotische Pflicht sei. Sogar der Präsident der Ukraine war für mehrere Monate ein baptistischer Laienprediger (Turtschynow). Nun wird er wegen seiner donnernden, militaristischen und
antirussischen Aussagen als der 'blutige Pastor' gegeißelt. Welche Haltung ist eigentlich dem biblischen Vorbild näher?”
Für Furore in Kiew sorgte zwei Erklärungen, die am 30. Mai 2014 auf dem Petersburger Vierjahres-Kongreß („Synode“) der „Russischen Union der Evangeliumschristen-Baptisten“ verabschiedet worden sind. Eine stellte die moralische Berechtigung des Aufstandes auf dem Maidan in Frage: "Wir fühlen uns der biblischen Lehre verpflichtet, die den gewaltsamen Sturz einer legalen Staatsmacht und den Nationalismus ablehnt und eine Lösung sozial-politischer Differenzen nur auf dem Wege von politischen Verhandlungen erlaubt."
Daraufhin warf Antoniuk der russischen Union vor, die Stellungnahmen unter Druck verfaßt zu haben. "Ich habe nicht den Eindruck, daß es sich um wirklich echte Dokumente handelt. Irgend jemand wollte sie eben haben. Einer Anzahl höchst umstrittener Aussagen kann ich nicht zustimmen. Man sollte für jene beten, die sich in ihrem Urteilsvermögen als schwach erwiesen haben."
In einem Interview publiziert am 17. März 2015 versicherte Aleksei Smirnow, der damalige Präsident der Russischen Union, der russisch-ukrainische Konflikt habe in baptistischen Kreisen unerträglichen Schmerz ausgelöst. Wie ein Messer, habe er „familiäre und zivile Verbindungen zerschnitten und den Menschen äußerst schwierige Entscheidungen aufgenötigt“. Der Konflikt habe „Ehepaare, Gemeinden und die Brüderschaft überhaupt gespalten“. Plötzlich haben sich Menschen „in hitzige politische Debatten“ hineinziehen lassen „und zeigen sich bereit, einen heiligen Krieg gegen Andersdenkende zu führen“. Das Evangelium habe sich seit 2.000 Jahren nicht verändert, versicherte er ferner. „Liebe den Herrn deinen Gott mit ganzem Herzen und liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“
Ohne den Maidan namentlich zu erwähnen, verteidigte der russische Präsident die Stellungnahme seiner Union vom 30. Mai 2014. In keinem Falle sollen die Gläubigen zur Gewaltanwendung gegen irgendeine Partei in einer Auseinandersetzung anstiften. Christus „hat nie zum Krieg gegen irgendjemanden aufgerufen“. Nie forderte er Gewaltanwendung gegen den korrupten, römischen Besatzerstaat.
Pastor Smirnow beschrieb den Krieg in der Ukraine als „nicht unser Krieg“. Zwischen den christlichen Gemeinschaften in Rußland und der Ukraine gebe es keinen Krieg. „Wir mögen Fragen unterschiedlich werten, aber sie halten uns nicht davon ab, Brüder in Christo zu sein“. Er verwies mehrmals auf die Subjektivität des politischen Diskurs und zitierte ein russisches Sprichwort: „Jeder Mensch besitzt seine eigenen Wahrheiten (prawda), doch nur Gott besitzt die letzte Wahrheit (istina).“
Noch vor Ende der Konfrontation auf dem Maidan im Februar 2014 hatte auch Wjatscheslaw Nesteruk, der damalige Präsident der Baptistenunion der Ukraine, versichert, daß dies nicht “unser Krieg” sei. Nach dem Maidan fragte dann der Verfasser die baptistische Führung in Kiew mehrmals, ob der gegenwärtige Konflikt weiterhin nicht „ihr Krieg“ sei. Der Äußerung Nesteruks stimmten sie nicht zu.
Auf dem letzten Vierjahres-Kongreß des russischen Baptistenbundes in Moskau Ende März 2018 war die ukrainische Union nicht vertreten. Doch in einem Brief hatten die Ukrainer die russische Seite aufgefordert, sich für die Stellungnahme auf dem Petersburger Kongreß zu entschuldigen. Der ehemalige RUECB-Präsident Juri Sipko brachte deshalb den Vorschlag ein, sich von der Stellungnahme vor vier Jahren zu distanzieren. Es wurde stattdessen beschlossen, die Kiewer Bundesleitung zu besuchen. Dies fand dann am 24. und 25. April 2018 statt. Da seit Ende 2014 ein faktisches Moratorium für Gespräche zwischen protestantischen Kirchengremien in der Ukraine und in Rußland besteht, läßt sich der Besuch als Durchbruch verstehen.
In der ukrainischen Pressemeldung danach riefen die Russen einerseits – wie üblich – für die Wiederaufnahme von Beziehungen und eine breitgefaßte Zusammenarbeit auf. Die Ukrainer forderten andererseits „eine objektive und wahrhafte Berichterstattung über Ereignisse“. Der Angriff der Meldung auf „Zombifizierung“, „Hybridismus“ und „Post-Wahrheit“ richtet sich offensichtlich gegen alle, die Verständnis für die Position des russischen Staates aufbringen. Ukrainische Baptisten bleiben davon überzeugt, daß sie die Opfer einer Aggression sind. Baptisten weiter östlich orten die ursprüngliche Aggression im einseitigen Maidaner-Aufstand selbst.
Kommentar
Es liegt keineswegs auf der Hand, daß ein zentralistischer, monistischer Staatsaufbau christlicher sei als ein föderativer, pluralistischer Aufbau – siehe z.B. Tschetschenien innerhalb der Russischen Föderation. Ebenfalls keineswegs zwingend ist die übliche Vorliebe von Protestanten für das westliche Staatensystem. Da der Globus nicht nur aus einem Westen besteht, hat diese Haltung Folgen für die kirchliche Theologie und Politik. Nur denke man einmal an die Bevölkerungszahlen von China und Indien gekoppelt mit der Landmasse Rußlands. Eine rein westlich-orientierte Politik spiegelt die globalen Realitäten nicht wider. Fazit: Die ukrainischen Kirchen legen sich auf politische Interpretationen fest, die sich nicht automatisch aus dem Evangelium ableiten lassen.
Und wie sollten die Kiewer Baptisten auf jene Millionen auf ukrainischem Boden zugehen, die Russisch sprechen und sich als eine Unterteilung des russischen Gesamtvolkes – Stichwort „Rus“ – begreifen? Die Ostgrenze der Ukraine ist auch keine ethnische Grenzziehung und ist auf die Regierungszeit des Wladimir Lenin zurückzuführen. Noch heute fällt es russischen Protestanten im angrenzenden Raum Rostow-na-Donu schwer, die Ost-Ukraine als Ausland zu akzeptieren. Das Gebiet östlich des Flusses Dnjepr hat sich geschichtlich nur bruchteilhaft zur ukrainischen Nation bekannt. Heute könnte nur eine ethnische Säuberung das Problem im monistischen Sinne „lösen“.
Letztlich braucht die Anhänger der Kiewer Politik das Abspalten von Donbass und Krim nicht nur traurig zu stimmen. Der Wegfall dieser Stimmen hat das „ewige“ Hin-und-Her zwischen wechselnden pro-russischen und pro-westlichen Mehrheiten abgeschafft. Im Gegensatz zu früher können heute die pro-russischen Kräfte unentwegt überstimmt werden. Auch deshalb erkennt der russische Staat gewisse Vorteile in eine Wiedereingliederung der Ost-Ukraine in den Kiewer Staat. Bis 2014 hatten die wechselnden Mehrheiten – einmal pro-russisch, einmal pro-westlich – das innerlich gespaltene Land zusammengehalten. Das ist übrigens noch heute in Rest-Moldawien (ohne Transnistrien) der Fall.
Wir Christen sollten uns mindestens daraufhin verständigen, daß es für den Krieg im Donbass nur eine Lösung am Verhandlungstisch geben kann. Dann haben wir bereits dieselbe, sehr hilfreiche Ausgangsposition.
Dr. phil. William Yoder
Gwardejsk, den 17. September 2018
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