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Versöhnung ist gefragt

Nicht alle wollen die „Verbrüderung“

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Wäre Jesus ein „Monist“ gewesen?

 

Kommentar

 

M o s k a u -- Der Jubel am 9. Februar im südkoreanischen Pyeongchong, als die gesamtkoreanische Mannschaft unter gesamtkoreanischer Fahne in den Saal einzog, konnte niemanden, der die deutsche Spaltung durchlitten hatte, unberührt lassen. Wie viel Kübel Haß und Verachtung sind in Korea seit fast 70 Jahren ausgeschüttet worden! Die koreanische Spaltung war auch ungleich härter und dauert schon wesentlich länger als die deutsche. War alles doch nicht ganz ernst gemeint? Sprießt nun widerspenstiges Leben durch die Ritzen im Gestein hervor?

 

Am 18. Februar feierte auf der Siegertreppe in Pyeongchong der ukrainische Skiläufer Oleksandr Abramenko seine olympische Goldmedaille. Dabei umarmte er den Russen Ilja Burow, der mit der Bronzemedaille neben ihm stand. Da Burow ohne seine russische Fahne auskommen mußte, umhüllte Abramenko beide in seine ukrainische. Russische Medien nannten das eine „politisch trotzige Umarmung“. Abramenkos Mut ist bewundernswert; in der Ukraine haben Menschen schon wegen kleinerer Vergehen ihr Leben aufs Spiel gesetzt. Dabei weist Abramenkos Leben selbst auf die tragische Aufspaltung der Ostslawen hin: Seine Verlobte, die Skiläuferin Alexandra Orlowa, ging in Pyeongchong für Rußland an den Start.

 

Schalten wir auf meine eigene kleine Welt um: Vor wenigen Wochen in der russischen Enklave von Kaliningrad/Königsberg mußte ich bei der „Sberbank“ meinen Paß vorzeigen. „Takaja Krassawiza!“ (Was für eine Schönheit!) rief die Angestellte mehrmals aus. Ich, der alternde Herr, strahlte vor Glück, denn sie hatte gerade auf mein Paßfoto geschaut. Doch gleich stellte sich heraus: Sie hatte nur die attraktive Grafik in meinem US-Reisepaß gemeint.

 

Meistens fallen die Russen aus mehreren Wolken, wenn ich etwa in einem Laden den Reisepaß vorzeigen muß. Es will keinem in den Kopf, daß ich freiwillig Florida gegen die vermeintliche Kälte und Armut Osteuropas eingetauscht hätte. Die Entscheidung begründe ich meistens mit einer Flucht vor Alligatoren und ähnlichem Getier. Wäre ich etwas gemeiner, würde ich den Schritt mit einer Flucht vor Schießereien auf öffentlichen Plätzen begründen.

 

Fazit: Trotz aller antirussischen Tiraden des vergangenen Jahrzehnts – und einer entsprechenden Reaktion seitens der russischen Medien – kann eine Menge Russen es nicht lassen, die USA zu bewundern. Das könnte man positiv als menschliche Reife und eine unglaublich hartnäckige Großzügigkeit einstufen, die im Westen ihres Gleichen sucht.

 

Mitten im Gewühl der Aufgesprungenen bei der Eröffnung der Winterolympiade saß ein einsamer, schmollender US-Vizepräsident Mike Pence. Dabei kam der Verdacht auf, die friedliche Wiedervereinigung Koreas unter neutralem Kennzeichen würde vielleicht doch keine Priorität der US-Außenpolitik sein. Und war der Jubel eigentlich eine gesamtkoreanische Antwort auf die bisherige Politik der USA? Ein wiedervereinigtes, neutrales Korea würde über keine Nuklearwaffen verfügen – Problem gelöst. Die Wiedervereinigung würde auch einer Menge Christen Luft verschaffen.

 

Dabei müssen wir uns zu Gemüte führen, daß Pence „unser Mann“ ist: ein wiedergeborener Evangelikaler aus der „Greenwood Community Church“ in der Hauptstadt von Indiana: Indianapolis. Natürlich ist Pence‘ Verhalten nur logisch: Nur wenige Wochen zuvor hatte sein Präsident den 36 Mio. Bewohnern Nordkoreas die totale Ausrottung angedroht. Nun meinte am 25.2. Donald Trump, der Lieblingskandidat von mehr als 80% der US-Evangelikalen,  die US-Politik gegenüber der Koreanischen Volksrepublik würde im Falle eines Nichtnachgebens auf „Phase Zwei“ umschalten.

 

Wechseln wir in ein anderes, gespaltenes Land: Der englische Historiker Richard Sakwa  berichtet von zwei überragenden Optionen in der Ukraine. Am 19. Feb. 2015 zitierte ihn Jonathan Steele im Londoner „Guardian“: Mit dem Sturz von Wiktor Janukowitsch im Feb. 2014 habe die „monistische Sicht“ triumphiert. Laut Sakwa besagt die vor allem in der westlichen Ukraine vertretenen monistischen Sicht, die Ukraine sei „eine bodenständige, "autochthone" kulturelle und politische Einheit“. Deshalb habe das Land die Aufgabe, „die ukrainische Sprache zu verstärken, das imperiale Erbe der Zaren und Sowjets zu verwerfen, die politische Schlagkraft der Russischsprachigen zu vermindern und das Land von Rußland weg und nach ‚Europa‘ hin zu bewegen.“

 

Die „pluralistische“ Sicht hingegen „unterstreicht die Unterschiedlichkeit der historischen und kulturellen Erfahrungen der ukrainischen Regionen“. Die Schaffung eines erfolgreichen Rechtsstaates erfordert „die Annahme der Zweisprachigkeit, gegenseitige Toleranz gegenüber den unterschiedlichen Traditionen und eine Verlegung der Macht vom Zentrum in die Regionen“.

 

Nach Steele war das Ende des Kalten Krieges kein allgemeiner Sieg, der die Schaffung eines gemeinsamen, europäischen Hauses zur Folge hatte. „Die meisten westlichen Führer sahen in Rußland eine unterlegene Nation, deren Interessen sich beiseiteschieben ließen. Man hatte nur die Wahl, die Hegemonie einer einzigen Supermacht anzuerkennen, oder sich mit der eigenen Isolation abzufinden.  Anstelle einer Auflösung der NATO wurde die Allianz nach dem Kalten Krieg verstärkt“ und trotz aller Warnungen ausgeweitet. „Schon lange vor Putin hatte Jelzin den Westen ermahnt, die NATO nicht nach Osten auszudehnen.“ Als Ergebnis spricht Professor Sakwa von einem „folgenschweren, geographischen Paradox: Die NATO existiert, um jene Risiken zu meistern, die sie selbst geschaffen hat.“

 

Schon in den 90er Jahren hatten sich die Protestanten der Ukraine innerlich für die monistische Option entschieden. In einem Brief an den damaligen Staatspräsidenten Janukowitsch vom 3. Juli 2012 protestierten neun Denominationen gegen das Ansinnen, Russisch als zweite Amtssprache in bestimmten Gebieten einzuführen. Zu den Unterzeichnern zählten der Baptistenbund und zwei Pfingstkirchen (siehe unsere Meldung vom 11. Juli 2012). Laut dieses Schreibens vertieft die Zweisprachigkeit „die gesellschaftliche Aufteilung, die politische Gegenwehr und untergräbt das Fundament des ukrainischen Staates“. (Es ist nicht schwer, sich die Reaktion auf diesen Brief auf der Krim auszumalen.)

 

Das nahm ich damals sehr leichtfertig und mit Humor auf – schließlich war Russisch die einzige Sprache, die alle Ukrainer verstanden. Doch so wurden die ukrainischen Protestanten für die Aufspaltung der ostslawischen Welt mitverantwortlich. An deren Folgen werden wir noch lange zu leiden haben. Die überwiegend aus Kanada wiedergekehrte Griechisch-Katholische Kirche der Westukraine hat erbittert für die monistische Option gekämpft. Mir will es dennoch nicht in den Kopf, daß Jesus selbst die monistische Option dem Pluralismus vorgezogen hätte.

 

Kriegsrumoren

In der Online-Zeitschrift „Counterpunch“ machte der US-amerikanische Soziologe Edward Curtin am 23. Februar 2018 eine aufsehenerregende Prophezeiung: „Die Regierungen von Trump und Netanyahu stehen vor einem Problem: Wie könnte man die Kriege in Nahost ohne vertretbaren Anlaß erheblich ausweiten? . . . Wenn sie keine Rechtfertigung ausfindig machen (was nicht möglich ist), werden sie eine künstliche erzeugen müssen (was sie tun werden).“

 

Curtin weiter: „Alle Zeichen stehen auf einen großangelegten israelisch/US-amerikanischen Angriff auf den Libanon und Syrien. Die kriecherischen Massenmedien stehen in der Küche und bereiten das Festmal vor. Das Hauptgericht wird aus Rußland und dem Iran bestehen, doch der Libanon und Syrien – die Vorspeise - werden zuerst verschlungen. Die Medien werden sich benehmen, als ob sie keinerlei Ahnung vom Kommenden hätten. Sie werden mit angehaltenem Atem auf den dramatische Augenblick warten, in dem sie von dem Vorfall berichten dürfen, der die ‚Guten‘ zwingt, die ‚Bösen‘ zu überfallen“.

 

Agenturen wie „CNN“ und die „New York Times“ „fühlen sich außerstande, die Berechtigung der russischen Position zu begreifen. Deshalb geben sie sich für Beschimpfungen und eine logikfreie Rhetorik her. Nun ist Rußland von US- und NATO-Truppen und Raketen umzingelt, und doch ist Rußland der Aggressor. Der Iran ist in gleicher Weise umzingelt. Diese Medien sind schlichte Propagandisten. Sie werben – wie schon immer – für den Krieg. . . . Die Welt geht auf ein äußerst gefährliches Zeitalter zu.“

 

Könnten die Bekehrten in dieser Notlage etwas Kreatives tun? Der evangelikale Professor und CSU-Mitglied Rainer Rothfuß (Lindau) versucht es und veranstaltet jährliche Friedensfahrten nach Rußland. Ende September wird die „Europäische Baptistische Föderation“ in der westukrainischen Stadt Lviv (Lwow/Lemberg) ihre Jahreskonferenz abhalten. Werden sich die Versammelten damit begnügen, „dem Chor ein Ständchen zu singen“, oder werden sie sich zu kreativen Äußerungen im Sinne der Friedensförderung durchringen? Das wird den Versammelten nicht leichtfallen, denn diese Region ist bekanntlich die historische Hochburg der ukrainischen „Monisten“.

 

Dr. phil. William Yoder
Gwardejsk, den 7. März 2018

 

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Anmerkung vom Februar 2021: Im Juni 2018 verließ Rainer Rothfuß, ein evangelischer Christ, die "Christlich-Soziale Union" (CSU) zugunsten der "Alternative für Deutschland" (AfD).