Witali Wlasenko: Keine offenen Türen einrennen
“Viele orthodoxe Türen stehen uns Baptisten offen und es ist wichtig, daß wir sie ausfindig machen und durch sie hindurchgehen.“ Das war eine Bemerkung von Pastor Witali Wlasenko, dem Abteilungsleiter für kirchliche Außenbeziehungen bei der „Russischen Union der Evangeliumschristen-Baptisten“ (RUECB) nach einem herzlichen Empfang bei Alexei (Kutepow), dem Metropoliten von Tula und Jefremow, in Tula am 31. Mai. Völlig unerwartet für Wlasenko und seine beiden Begleiter hatte der Metropolit 25 bis 30 seiner Amtskollegen aus der Eparchie Tula (südlich von Moskau) um sich gesammelt für die Begegnung.
Es ging erst einmal um das Kennenlernen und Wlasenko betonte in seiner Rede das Gemeinsame: den gemeinsamen Glauben an Christus den Heiland, das Streben um die traditionellen Werte von Ehe und Familie sowohl die Tatsache, daß sie allesamt russischer Nation seien. Bezüglich der Behauptung, das gesamte Rußland sei kanonisches Gebiet der Russischen Orthodoxen Kirche, versuchte Wlasenko darauf zu verweisen, daß kanonisches Gebiet nur für Herz und Verstand von Relevanz sei – nicht für die Geographie.
Nachher berichtete Wlasenko: „Wir wünschen, daß sich die Ortsgemeinden beider Seiten im Raum Tula kennenlernen; sie sollten eMail-Anschriften und Telefonnummern austauschen. Statt weiterhin zu erraten versuchen, wer die andere Seite sein könnte, werden wir dann konkrete Menschen mit ihren konkreten Auffassungen vor Augen haben. Wir wollen ihnen Respekt zeigen und selbst auch respektiert werden.“
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Die religiösen NGOs wurden dennoch untersucht
Ursprünglich waren religiöse Organisationen von der neuen russischen Gesetzgebung, die darauf zielte, die Arbeit von ausländisch-finanzierten Nichtregierungsorganisationen (NGOs) zu behindern, ausgenommen. Dennoch wurden während April und Mai Tausende von ihnen – auch orthodoxe Kreise und einzelne protestantische Gemeinden – von Staatsbeamten besucht. Die auf Religionsfreiheit spezialisierte und in Oslo beheimatete NGO „Forum 18“ berichtete aber nur von einer „durchwachsenen Reaktion zu den umfassenden staatlichen Kontrollen“. Sie fügte hinzu: „In manchen Gebieten waren die Kontrollen der Staatsanwaltschaft recht eingehend. Doch in den meisten Fällen gingen die Beamten recht formal ihren Pflichten nach. Sie wollten nur ihre Berichte abliefern als Beweis dafür, daß sie tatsächlich kontrolliert hatten.“ Evangelische Kirchenführer bezeichneten sich als unbesorgt. Der Pastor einer umstrittenen charismatischen Gemeinde behauptete: „Die Inspektionen wurde taktvoll durchgeführt. Meines Wissens bekam keiner Schwierigkeiten.“
Doch ernsthafte Probleme waren im November 2012 aufgetreten. Im Zuge einer unangemeldeten Untersuchung hatten staatliche Einheiten einschließlich getarnter Bereitschaftspolizei mit Hunden das Mitarbeiterlager eines protestantischen Reha-Zentrums für Drogenabhängige umzingelt und – teilweise - gewaltsam geentert. Die Aktion wurde um sechs Uhr morgens losgetreten; den rund 150 schlafenden Mitarbeitern und Kindern wurde ein ernsthafter Schrecken in die Glieder gejagt. „Neues Leben“, eins der größten protestantischen Reha-Zentren im Lande, befindet sich in der Region Leningrad unweit der estnischen Grenze. Es wird getragen von der großen pfingstlerischen und charismatischen „Vereinigten Russischen Union der Christen Evangelisch-Pfingstlerischen Glaubens“ (ROSKhWE).
Im Zuge des darauffolgenden Eklats mußte Sergei Esipow, der Stellvertretende Staatsanwalt für die Region Leningrad, den Hut nehmen. Dennoch weigerte sich das Ermittlungsamt „mangels Beweises“, Anklage gegen die Staatsanwaltschaft zu erheben. In den Gerichtsverhandlungen, die trotzdem erfolgten, warf der Baptist Anatoli Ptschelinzew, leitender Anwalt des Moskauer „Slavic Legal Centre“, den Staatsorganen ungesetzlichen Eintritt, ungesetzliches Festhalten und Machtmißbrauch vor. Am 26. April gab Ludmila Schukowa, Richterin des Amtsgerichts der Stadt Kingiseppe, der Kirche Recht. Die Weigerung, der Staatsanwaltschaft den Prozeß zu machen, wurde für ungesetzlich erklärt. Über die endgültige Einigung wird noch verhandelt.
Dr.phil. William Yoder
Smolensk, den 14. Juni 2013
Meldung Nr. 13-11