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Schon 2012 war das RAI dabei, unterzugehen

Der Rückzug vom Abgrund

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Das Moskauer „Russisch-Amerikanische Institut“ macht weiter

 

M o s k a u - Heute ist die Fassade des imposanten Baus im Moskauer Norden mit Werbung für ein Fitneßklub behangen und der Putz bröckelt, doch das einst gefährdete „Russisch-Amerikanische Institut“ ist noch eindeutig im Geschäft. Das wurde deutlich im Gespräch mit dessen jungem Dekan, Dr. Ruslan Nadjuk, am 12. Mai. Seit Abbruch des normalen, geisteswissenschaftlichen Lehrbetriebs im Dezember 2010 haben er und seine Kollegen eine neue „Hochschule für Sozialarbeit und Beratung“, die gegenwärtig von 28 Studenten besucht wird, ins Leben gerufen.

 

Nadjuk und rund 10 Teilzeitdozenten bieten ein fünfjähriges Bachelors-Studium mit einem Abschluß in Sozialer Arbeit und Familienberatung an. Danach gibt es einen weiterführenden, zweijährigen Diplom-Abschluß. Weitere 130 Studenten besuchen Vorlesungen, die sich u.a. mit Suchtmittelabhängigkeit und Rehabilitationsmaßnahmen für diesen Personenkreis befassen. Andere Kurse bringen Studenten bei, wie sie Teenagern nach langen Aufenthalten in Waisenhäusern mit den erforderlichen Fertigkeiten zum Überleben in der Gesellschaft ausstatten können. Andere Fächer transportieren Inhalte, wie man Eltern, die ein Kind adoptieren wollen, erfolgreich auf die bevorstehenden Herausforderungen vorbereitet. Die Studenten sind nicht mehr blutjunge Oberschulabsolventen, sondern ältere Menschen, die bereits im Berufsleben stehen. Nur ein Teilzeitstudium wird angeboten; die russisch­sprachi­gen Kurse finden abends und an Wochenenden statt. Englischunterricht findet nur außerhalb des Lehrplans statt.

 

Nadjuk, der sich gegenwärtig um eine Habilitation im Fachbereich Psychologie an der„Linguistischen Staatsuniversität Nischni Nowgorod“ bemüht, dient ebenfalls seit 13 Jahren als Pastor einer Baptistengemeinde. Er erläutert: „Unser Programm will sich mit der praktischen Ausführung christlichen Glaubens befassen. Wie können jene, die sich bereits bekehrt haben, ihren Glauben in die Tat umsetzen?“ RAI sucht nach Lücken im russischen Bildungssystem; es will Programme anbieten und Menschen in einer Weise dienen, denen eine säkulare Einrichtung nicht gewachsen ist. Die gravierenden sozialen, geistlichen und psychologischen Nöte der „Massen“ seien auch in Rußland mit Händen zu greifen.

 

Das neue Programm fördert die Integration von Soziologie und Psychologie – ein übliches Merkmal von Programmen im Bereich Soziale Arbeit. Es arbeitet in enger Absprache mit der in Oklahoma beheimateten „Oral Roberts University” (ORU) und ihrem Professor Lanny Endicott. Endicott leitet deren Abteilung für Soziale Arbeit. Obwohl das Programm noch über keine Akkreditierung durch das russische Bildungsministerium verfügt, werden bestimmte Kurse von der ORU anerkannt. Nadjuk weist darauf hin, daß sich die fehlende Akkreditierung auch als versteckter Vorzug erweisen könnte. Die Akkreditierungszwänge würden „den Prozeß einer Integrierung von christlichen und wissenschaftlichen Komponenten im Programm behindern, was für uns von vorrangiger Bedeutung ist“. Er fügt hinzu: „Es ist kein Geheimnis, daß die USA über einen großen Erfahrungsvorschuß in der Ausbildung von Seelsorgern verfügen. Wir müssen die besten jener Praktiken für unsere eigenen Zwecke mobilisieren.“ Im Gegensatz zu vielen russischen Evangelikalen hat das RAI keine Scheu davor, die Erkenntnisse der Psychologie in seine Kurse einzubauen.

 

RAI freut sich darüber, daß das Lehrprogramm seiner neuen Hochschule für Sozialarbeit womöglich bereits 2013 die finanzielle Selbständigkeit erzielt. Nadjuk merkt an, daß Studenten ihr Studium am ehesten ernstnehmen wenn sie auch dafür „blechen müssen“. Am 12. Mai berichtete Mark Currie, der Stellvertretende Rektor und langjährige Pastor einer interkonfessionellen Moskauer Gemeinde, von einer Studentin, die gerade die Kunde erhalten hatte, daß ein Teil ihrer Studiengebühren von einem Gönner übernommen werde. „Klasse!“ rief die Frau aus. „Jetzt kann ich ins Pfandleigeschäft zurückkehren und meinen Schmuck auslösen!“ Jetzt in der Startphase stammen die meisten Studenten von der größten protestantischen Gemeinde Moskaus: der von Matts-Ola Ishoel geleiteten, 4.000-Mitglieder starken „Wort des Lebens“-Gemeinde.

 

Dr. John Bernbaum (Maryland(USA) ist weiterhin Präsident des RAI. Er war auch Gründungspräsident als die damalige „Russisch-Amerikanische Christliche Universität“ (RACU) 1995 das Licht der Welt erblickte. Die Namensänderung ist 2009 erfolgt. RACU/RAI bleibt verbunden mit dem mainstream-evangelikalen, in Washington/DC beheimateten “Council (Rat) for Christian Colleges and Universities” (CCCU).

 

RAIs großartiges, neues Gebäude war am 27. Mai 2010 eingeweiht worden, doch aufgrund des Wegfalls staatlicher Akkreditierung währte der Studienbetrieb in alter Form nur weitere sieben Monate. Gegenwärtig wird 88% des Gebäudes an säkulare Firmen fremdvermietet. Nadjuk erläutert, daß eine ungerechte Überversteuerung nichtstaatlicher Ausbildungsstätten gegenwärtig keine weitere Option zuläßt.

 

Anfangs wurde das Campus von den Anwohnern keineswegs willkommen geheißen – während der fünfjährigen Bauzeit spielten sich mehr als 10 Protestkundgebungen vor den Bauzäunen ab. Noch heute warnt ein Denkmal keine 50 Meter vom Gebäude entfernt vor ausländischer Einflußnahme. Doch Ironie der Geschichte: Heute mietet eine Bundesverbindung von Polizisten einen Teil der dritten Etage. Das läßt sich als Hoffnungszeichen bezüglich der Zukunft auslegen.

 

Weitere Informationen gibt es im Internet: www.rainstitute.ru” (Russisch) oder “russian-american-institute.org” (Englisch).

 

Die Christliche Universität Sankt Petersburg hat einen neuen Rektor

Bei einer Feststunde am 19. Mai wurde der Psychologieprofessor Wassili Ryzhow als Rektor der „Christlichen Universität Sankt Petersburg“ (SPbCU) eingeführt. Er löst Alexander Negrow, der dieses Amt seit Juni 2005 innehatte, ab.

 

Der Pensionär begann seine berufliche Laufbahn 1965 als Lehrer für Mathematik an einer Oberschule der Stadt Boksitogorsk (Gebiet Leningrad). Im Jahre 1980 promovierte er an der Moskauer Staatsuniversität; die Habilitation erhielt er 1995 von der Nowosibirsker Staatsuniversität. Er kommt nach St. Petersburg von der psychologischen Abteilung der „Linguistischen Staatsuniversität Nischni Nowgorod“, wo er ab 1975 lehrte. In den letzten Jahren diente er dort als Abteilungsleiter. Ein passionierter Verfasser, Professor Ryzhow hat 263 Publikationen – einschließlich 68 Bücher - geschrieben, mitgeschrieben oder redigiert. Ein Protestant erst seit zwei Jahrzehnten, berichten Kollegen aus der Wolgastadt, er sei als leidenschaftlicher Verfechter der protestantischen Theologie und Weltanschauung bekannt. Der Professor war der ursprüngliche, wissenschaftliche Mentor bei der gegenwärtigen Habilitierungsarbeit von Dr. Ruslan Nadjuk. In Nischni diente Ryzhow auch als Diakon in einer Baptistengemeinde.

 

Der Neutestamentler Dr. Negrow wird sein Sabbatjahr als Gastprofessor in der Hochschule für Betriebswirtschaft an der “California Baptist University” (Riverside) verbringen. (Rick Warren ist ein Absolvent der CBU.) Dabei bleibt Negrow Leiter der “Hochschule für Menschenführung“ (Leadership) an der SPbCU.

 

Bei dieser feierlichen Stunde wurde auch 50 Studienabgängern das Abschlußzeugnis überreicht. Zu den Gastrednern zählte George Baier, Vorstandsvorsitzender der in Abbotsford/Britisch Kolumbien beheimateten Mission “Logos Canada”. “Logos Canada”, die selbst im starken Maße von der Mennonitenbrüdergemeinde getragen wird, ist Hauptunterstützterin der 1990 gegründeten SPbCU. Die mennonitischen Brüder Kanadas sind ebenfalls beteiligt an der englischsprachigen und erfolgreichen, in Klaipeda/Litauen ansässigen „LCC International University“. Ein weiterer Gastredner war Pastor Pawel Kolesnikow (Selenograd bei Moskau), Präsident der “All-Russischen Gemeinschaft der Evangelischen Christen“ (WSECh). Sie wurde vom Moskauer Unternehmer Alexander Semtschenko ins Leben gerufen.

 

Dr.phil. William Yoder

Berlin, den 31. Mai 2012

 

Anmerkung im Mai 2020: Wassili Ryzhow diente nur wenige Monate als Rektor. Rektor seit Mai 2014 ist Dr. Waleri Alikin.

 

Eine Veröffentlichung im Rahmen der Russischen Evangelischen Allianz. Sie will informieren und erhebt nicht den Anspruch, eine offizielle Meinung der Allianz-Leitung zu vertreten. Diese Meldung darf gebührenfrei abgedruckt werden. Meldung Nr. 12-12, 1.020 Wörter oder 7.868 Schläge mit Leerzeichen.