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Seelsorge für Pastoren der Baptisten in Russland

Auch Pastoren brauchen seelsorgliche Begleitung

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Seminar zur Seelsorge unter russischen Baptistenpastoren

 

M o s k a u -- Pastoren mit Erfahrung in Seelsorge brauchen selbst seelsorgliche Begleitung. Auch sie sind mitunter in Konflikte verstrickt oder besonderen Versuchungen ausgesetzt. Auch sie brauchen Stärkung und Ermutigung. Darauf hat Pastor Olaf Kormannshaus in einem Seminar der Pastorenabteilung der Russischen Union der Evangeliumschristen-Baptisten (RUECB) über die Seelsorge unter Pastoren am 14. bis 16. September im Kinderlager Rutschejok bei Moskau hingewiesen. Zehn für die Seelsorge in ihrer Region Verantwortliche nahmen daran teil.

 

Kormannshaus, Dozent für Seelsorge und Psychologie am Theologischen Seminar des deutschen "Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden" in Elstal bei Berlin, meinte ferner, „Die Wahrnehmung eines Konflikts ist immer subjektiv gefärbt; die eigene Wahrnehmung bedarf darum der Ergänzung durch andere Menschen.“ Mitunter ist es eine Kränkung sich einzugestehen, daß die eigene Sichtweise eine unzureichende oder verzerrte Sichtweise ist. Dem Betroffenen seine Wahrnehmung mitzuteilen, sei darum ein notwendiger Dienst. Eine gute Form dafür bildet das "Heilsbronner Modell der Kollegialen Beratung", das der Referent vorstellte: sechs bis acht Kollegen besprechen in insgesamt zehn Schritten eine problematische Situation, die ein Teilnehmer vorträgt. Nach einer festen Struktur tauschen sich die Zuhörenden darüber aus, was die Beschreibung der Situation bei ihnen ausgelöst hat und welche Lösungsvorschläge ihnen einfallen. Dabei sprechen sie den Vortragenden nicht direkt an, und dieser darf seine Kollegen nicht unterbrechen. So wird eine hilfreiche Distanz geschaffen und der Vortragende lernt die Meinungen seiner Kollegen kennen. Erst in der Schlußphase kommen Vortragender und die übrigen Gruppenteilnehmer miteinander ins Gespräch. Dieses Modell ist ausgesprochen demokratisch, denn die Gesprächsleitung in der Gruppe wechselt jeweils nach einer Runde Beratung. Alle Teilnehmer begegnen einander auf Augenhöhe.

 

Kormannshaus sprach auch über Erfahrungen unter den Pastoren in Deutschland. Für manche Pastoren ist Supervision, einzeln oder in einer Gruppe mit anderen Pastoren, mit einem von außen kommenden Supervisor ("Experten") inzwischen selbstverständlich. Viele andere Pastoren treffen sich regelmäßig in einer Region zur Beratung, wenn ein externer Supervisor nicht zur Verfügung steht. Der Schwerpunkt bei beiden Arbeitsformen liegt auf Themen aus der beruflichen Arbeit. So helfen diese Treffen zur Erhellung eines versteckten Konflikts z.B. oder zur Klärung der Rolle, die der Pastor dabei einnimmt. Bei den vielen schwerwiegenden Themen, die einem Pastor in der Seelsorge begegnen, hilft Kollegiale Beratung auch, sich nicht "infizieren" zu lassen. Denn die Themen, die Menschen in der Seelsorge ansprechen, z.B. der Umgang mit Geld, Sexualität, Alkohol, Macht, Streben nach Anerkennung, sind oftmals auch Versuchungen für den Pastor, die er selbst zu überwinden hat.

 

Bei konkreten persönlichen Verfehlungen sei es zu überlegen, ob ein Pastor zur Beichte nicht besser zu einem Kollegen aus einer anderen Kirche geht, damit die Zusammenarbeit in der eigenen Gemeinde oder mit Vorgesetzten nicht unnötig belastet wird, ergänzte Kormannshaus. Dort, wo man selber Fehlverhalten eines Kollegen wahrnehme, sei es nötig, ihn daraufhin anzusprechen und ihn mit dem zu konfrontieren, was man wahrnimmt. Das tut man aber nicht als Staatsanwalt, Richter oder Detektiv. "Meine Verantwortung ist es, meine Wahrnehmung oder Sorge dem Kollegen mitzuteilen und ihm Konsequenzen seines Verhaltens vor Augen zu führen (biblisch: zu ermahnen). Wie er dann damit umgeht, bleibt dessen Verantwortung."

 

Manchmal allerdings fällt es gerade Pastoren schwer, selber Hilfe und Begleitung anzunehmen. Sergei Babitsch, Direktor der Pastorenabteilung der RUECB, beklagte sich darüber, daß viele Pastoren die Suche nach einem Gespräch – oder einer Auszeit für die eigene Erholung – als ein Zeichen der Schwäche auslegen. Auch nicht jeder Baptistenpastor in Deutschland mache bei der Supervision mit, fügte Kormannshaus hinzu, denn dieses Gesprächsangebot sei völlig freiwillig. „Doch gerade die, die das Gespräch im Pastorenkreis am meisten nötig hätten, entziehen sich häufig diesem Gespräch.“

 

Pastor Babitsch ist bemüht, ein landumspannendes Netzwerk von Pastoren aufzubauen, das imstande ist, das Gespräch unter Pastoren in der eigenen Region anzuleiten. Es gehören bereits mindestens 10 Pastoren zu seinem Seelsorgerteam – er nennt sie „Koordinatoren“. Diese Zahl soll sich auf jeden Fall weiter erhöhen. Zu diesem Team gehören Pastoren u.a. aus Tomsk/Sibirien, Astrakhan im Süden, Woronesch und Kirow.

 

Die RUECB besteht aus rund 72.550 Mitgliedern, die sich in 1.783 Gemeinden und Gruppen versammeln. Präsident seit März 2010 ist Alexei Smirnow.

 

Dr. phil. William Yoder und Olaf Kormannshaus

Moskau, den 30. September 2011

 

Anmerkung von Juni 2020: Olaf Kormannshaus ist inzwischen pensioniert; Sergei Babitsch ist Pastor einer russischsprachigen Gemeinde in Strasburg/Frankreich.

 

Eine Veröffentlichung der Abteilung für kirchliche Außenbeziehungen bei der Russischen Union der Evangeliumschristen-Baptisten. Sie will informieren und erhebt nicht den Anspruch, eine offizielle Meinung der RUECB-Leitung zu vertreten. Meldung Nr. 11-19, 655 Wörter oder 4.761 Anschläge mit Leerzeichen.