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Die Russische Allianz ist noch nicht erwachsen

Die Russische Evangelische Allianz: Ein achtjähriger Bursche

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Ein Gespräch mit seinem Präsidenten, Dr. Wladimir Rjagusow (Krasnodar)

 

Die Fragen stellte Marina Tschernjawskaja von der russischen Ausgabe des Nachrichtendienstes „Christian Today“.

 

Vor acht Jahren ist die Russische Evangelische Allianz entstanden. Wie würden Sie die Jahre danach beschreiben?

 

Die Russische Evangelische Allianz erinnert mich an einen achtjährigen Burschen. Er hat die Schule angefangen, nun braucht er den Umgang mit Freunden und den Eltern. Seine Erfolge werden durchaus durch das geringe Alter begrenzt. Es ist eine Zeit, des Erwachsenenwerdens und der Eigeninitiativen. In diesen Jahren hat die Allianz Verbindungen mit der Mehrheit der protestantischen Kirchenbünde Rußlands sowie mit weiteren Organisationen und Kirchen in Belarus, der Ukraine, Kasachstan und Kirgistan geknüpft. Außerdem unterhalten wir gute Beziehungen zu unserem Hauptpartner im westlichen Ausland: die Deutsche Evangelische Allianz.

 

Folgende Arbeitsziele haben wir bereits erreicht:

 

1. In der zweiten Woche des Jahres wird gemeinsam mit Gläubigen aus den verschiedensten Konfessionen eine Gebetswoche durchgeführt. Für die Woche wird stets ein besonderes Gebetsheft angefertigt, dessen Themen europaweit von der Europäischen Allianz festgelegt werden. Letztes Mal druckten wir 10.000 Exemplare des Heftes; angesichts der gestiegenen Nachfrage möchten wir für das kommende Jahr 15.000 Stück herstellen. Sie werden durch die Kirchen verteilt in Rußland, der Ukraine und Weißrußland. (Und können auch von unserer Webseite heruntergeladen werden.)

 

Die Texte, die wir selbst in Rußland verfassen, erläutern bestimmte Bibeltexte, die auch als Predigthilfen gebraucht werden können. In den Heften benennen wir ebenfalls Gebetsanliegen aus der ganzen Welt und aus der Welt der Allianz. Ich halte diese Hefte für das gelungenste Vorhaben, das wir gegenwärtig durchführen – es gibt dafür auch ein gutes Echo.

 

2. Wir führen auch jährlich eine gesamtrussische Konferenz zu einem aktuellen Thema durch. Sie lauten z.B.: „Der Protestantismus im orthodoxen Kontext“, „das Christentum in Zeiten der Weltkrise“ und „Der Beitrag der russischen Protestanten zur Gesellschaft“. Nicht nur Christen sind an diesen Konferenzen beteiligt, sondern auch bekannte Religionswissenschaftler. Zugegen sind ebenfalls Vertreter von Evangelischen Allianzen aus anderen Ländern.

 

Nach dieser Moskauer Konferenz besuchen Allianz-Vertreter andere Städte und führen dort regionale Allianz-Konferenzen durch. In den Regionen finden Konferenzen unter der Überschrift „Lehre uns beten“ oder „Das Vaterunser“ großen Widerhall. Der Austausch bei solchen Anlässen fördert unsere Einheit in Jesus unterstürzt sein Anliegen hinsichtlich der Einheit der Christen, das in Johannes 17 ausgedrückt wird. Aber diese Konferenzen gelingen nur, wenn sich Allianz-Vertreter anstrengen und eine Offenheit für den zwischenkirchlichen Austausch bei den Gastgebern, einschließlich der Pastoren und Bischöfe, vorhanden ist.

 

3. Wir organisieren Fahrten jedes Jahr im August zur nationalen Konferenz der Deutschen Evangelischen Allianz nach Bad Blankenburg/Thüringen. Dort lernen wir viel und genießen den Austausch mit älteren und erfahrenen „Schwestern und Brüdern“ aus der Allianz-Arbeit.

 

4. Wir haben eine Webseite geschaffen (rea-moskva.org) zur Publizierung der wichtigsten Ereignisse. Sie soll zur Sache des Gebets und zur Einheit der Gläubigen beitragen. Die Veröffentlichung einer sehr breiten Palette an Informationen hinterläßt den gewollten Eindruck, daß die Russische Allianz nicht die Sache eines interessierten Kleinkreises, sondern eine Sache der christlichen Familie insgesamt sei.

 

5. Die Allianz ist ebenfalls dabei, mit dem Segen des „Konsultativrats der Leiter der protestantischen Kirchen Rußlands“ Bibelkommentare anzufertigen. In diesem Sommer wird erstmals auf Russisch ein Kommentar des deutschen Theologen Gerhard Maier erscheinen – es handelt sich um den Jakobusbrief. Es wird herausgegeben von der Russischen Allianz in Zusammenarbeit mit dem orthodoxen „Biblisch-Theologischen Institut des Heiligen Andreas“ in Moskau.

 

Das Anliegen der Allianz wird eher in den Regionen als in der Hauptstadt angenommen. Woran liegt das?

 

Das erkläre ich mir so, daß es in der Hauptstadt ohnehin eine große Anzahl interkonfessioneller Veranstaltungen gibt. Ich denke, Moskau sei daran müde geworden. In Moskau erscheinen alle von der Notwendigkeit christlicher Einheit überzeugt zu sein und praktizieren sie auch. Ferner ist dort der genannte „Konsultativrat der Leiter der protestantischen Kirchen Rußlands“ aktiv.

 

In den russischen Provinzen sieht es anders aus – besonders dort, wo die ökonomische Krise tobt. Dort gibt es wenige Besucher von auswärts – auch nicht von der Allianz. Dort wollen die Gläubigen Informationen darüber haben, was sich in der Welt tut und wie sie bei den Problemen behilflich sein können. Sie wollen ferner ihrer Umwelt zeigen, daß den Christen mehr eint als trennt. Sie wollen ihre Interessen gemeinsam nach außen hin vertreten.

 

Auf welche Schwierigkeiten stößt die Allianz bei ihrer Arbeit?

 

Schon die Durchführung regelmäßiger Vorstandssitzungen ist sehr schwierig. Das sind Schlüsselpersonen in ihren Kirchenbünden und deshalb sind sie stark eingespannt. Es ist nicht leicht, die gesamte Mannschaft zusammenzubekommen. Es kommt hinzu, daß ich als Präsident vor zwei Jahren von Moskau aus in den Süden Rußlands umgezogen bin. Bis heute bekommen die Vorstandsmitglieder kein Gehalt für diesen Dienst und müssen ihm neben ihren sonstigen Verpflichtungen nachkommen. Wegen der ökonomischen Schwierigkeiten haben manche auch mehr als nur eine einzige Arbeitsstelle. Noch schwerer ist es, Leute zu finden, die für die Arbeit spenden können.

 

In Westeuropa gibt es die Allianz seit mehr als 150 Jahren. Sie wird für ihren Dienst gesellschaftlich anerkannt. Halten Sie es für dankbar, daß die Russische Allianz künftig einen ähnlichen Status erzielt? Könnten auch die Protestanten Rußlands einen ähnlichen Grad an Einigkeit erreichen? Was hindert eine derartige Entwicklung?

 

Die Entwicklung einer Allianz ist vor allem eine Frage der Zeit. Die anderen europäischen Allianzen waren auch nicht plötzlich da. Sie waren früher auch achtjährige Burschen. Zweitens, hängt eine erfolgreiche Entwicklung auch davon ab, ob die leitenden Personen sowie die einfachen Gemeindeglieder die Wichtigkeit der geistlichen Einheit anerkennen. Darum bat Jesus seinen Vater – daß seine Jünger einig sein mögen. Drittens, hängt das Gedeihen auch von unserem eigenen konkreten Engagement ab.

 

Dieses Interview erschien ursprünglich bei „Christian Today“ sowie im Internet-Dienst „word4you.ru“ (6.7.11). Dr. William Yoder hat den Text übersetzt und gekürzt.

 

Pressedienst der Russischen Evangelischen Allianz

Moskau, den 8. Juli 2011

 

Eine offizielle Veröffentlichung der Russischen Evangelischen Allianz in Deutsch und Russisch. Meldung Nr. 11-13, 897 Wörter oder 6.450 Schläge mit Leerzeichen.

 

Anmerkung von Juni 2020: Wladimir Rjagusow (geb. 1950) erlitt einen gravierenden Schlaganfall im Juni 2013 in Krasnodar und wohnt heute gemeinsam mit seiner Familie in Seattle/USA. Mit einer vollständigen Genesung wird nicht gerechnet.

Die genannte Webseite
(rea-moskva.org) gilt nicht mehr. Am besten versuchen Sie es auf dieser Webseite oder in Russisch auf der Webseite "word4you.ru". Ich (Yoder) kann alle Anfragen an die Russische Allianz weiterleiten. Man spricht dort Englisch.