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Russisch- und deutschstämmige Baptisten im Gespräch

Eine vertrauensvolle Beziehung entsteht

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Hoffnungsvolles Grußwort eines Aussiedlers auf der Jahreskonferenz des deutschen „Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden“

 

K a s s e l -- Mit großer Zustimmung nahmen Delegierte auf dem diesjährigen Bundesrat des deutschen „Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden“ (BEFG) in Kassel am 6. Juni ein Grußwort von Pastor Heinrich Derksen entgegen. Derksen ist Rektor des vor allem von Aussiedlern unterstützten „Bibelseminars Bonn“ und seine Rede wurde als einen möglichen Durchbruch in den Beziehungen zwischen Aussiedlern und einheimischen, deutschen Baptisten gewertet. Es hieß z.B.: „Aus den anfänglich zögernden Begegnungen zwischen rußlanddeutschen Vertretern und der Bundesleitung (des BEFG) ist in der letzten Zeit eine vertrauensvolle Beziehung gewachsen.“ Klaus Rösler (Aßlar), Chefredakteur des „Europäischen Baptistischen Pressedienstes“, berichtete: „Für mich war sein Votum echt ein Höhepunkt der gesamten Konferenz.“

 

Derksen versicherte in seiner kurzen Rede, deutschstämmige Christen aus der ehemaligen Sowjetunion seien nicht nur wegen des höheren Lebensstandards in Deutschland präsent. „Aussiedler sind nicht nach Deutschland gekommen, damit sie nur ein besseres Leben haben, sondern sie sollen dieses Land auch geistlich mit verändern.“ Inzwischen leben 2,5 Mio. Rußlanddeutsche in Deutschland; unter ihnen erkennen rußlanddeutsche Baptisten ihre missionarische Hauptaufgabe.

 

Doch auf dem Wege des Heimischwerdens hätten Aussiedler noch einiges vor sich. „Leider haben sich Aussiedler in der Vergangenheit oft von anderen Christen und der Gesellschaft unnötig isoliert und distanziert,“ bekannte der Rektor. „Hier bedarf es einer neuen Sichtweise bei den Rußlanddeutschen. Vielleicht gelingt es uns, langsam unser Nischendasein in Deutschland zu überwinden.“ Zu den theologischen Mängeln rußlanddeutscher Gemeinden meinte Derksen, sein Bibelseminar habe die Aufgabe, „unsere Theologie und Geschichte aufzuarbeiten, zu formulieren und zu diskutieren, damit wir uns selbst verstehen und für andere verständlich werden. Wir haben zwar eine gelebte Theologie, aber keine formulierte.“

 

Nach Derksens Angaben gibt es in Deutschland 450 rußlanddeutsche Gemeinden baptistischer und mennonitischer Prägung mit rund 120.000 Gottesdienstbesuchern. Er beklagte dennoch, daß Aussiedler die Aufforderung Jesu zur Einheit, „damit die Welt glaube“, nicht beherzigt hätten. „Ich muß zu unserer Schande sagen, daß wir dieses göttliche und geistliche Anliegen nicht genügend beachtet haben.“ In den letzten 30 Jahren seien „gut ein Dutzend unterschiedliche Verbände entstanden. Hier ist von Verbundenheit keine Spur! Und dann sind auch noch 50 % aller Gemeinden total unabhängig und gehören zu keinem dieser Verbände. Da sind Sie uns als Bund ein großes Vorbild.“ Der BEFG mit seinen 83.285 getauften Mitgliedern ist wesentlich größer als irgendeine Vereinigung rußlanddeutscher Baptisten.

 

Um den Annäherungsprozeß zu fördern, bat der Gast die Versammelten darum, sich von liebgewonnenen Stereotypen zu distanzieren. „Darf ich Sie bitten, Rußlanddeutsche nicht einfach auszugrenzen und klischeehaft zu verurteilen? Wir sind nicht alle Schulverweigerer, wir tragen nicht alle nur Röcke und Zöpfe. Wir fahren nicht alle Mercedes und haben nicht alle ein großes Haus!“ Er sagte ferner: „Aussiedler stehen in einem großen Umbruchprozeß. Wir wollen miteinander und voneinander lernen.“

 

Zur sich anbahnenden Annäherung hat nicht zuletzt BEFG-Präsident Hartmut Riemenschneider (Marl) beigetragen. Der Rektor kündigte an, Riemenschneider werde Anfang Juni bei einer gemeinsam mit den nordamerikanischen Südbaptisten in Lemgo/Westfalen durchgeführten Predigerkonferenz auftreten. Diese Konferenz werde nach Derksens Angaben vom „progressiven“, dritten Flügel der Aussiedlergemeinden durchgeführt.

 

Ende März besuchte eine von Pastor Riemenschneider geleitete Delegation die Hauptkonferenz des russischen Baptistenbundes in Moskau. Der Präsident hat auch einen familiären Bezug zum Osten: Seine Ehefrau ist Aussiedlerin.

 

Dr.phil. William Yoder

Moskau, den 14. Mai 2010
Pressedienst der Russischen Evangelischen Allianz

 

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