Zum Dialog gibt es keine Alternative
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Zum 10. Nationalen Gebetsfrühstück in Moskau
M o s k a u – Beim 10. Nationalen Gebetsfrühstück am 16. März im eleganten Moskauer “Präsident-Hotel” wurde über Protestanten und Orthodoxen viel Erfreuliches gesagt. Sergei Rjakhowski, Bischof des größten protestantischen Dachverbandes des Landes, der charismatischen „Vereinigten Russischen Union der Christen Evangelisch-Pfingstlerischen Glaubens“ (ROSKhWE), wird von nicht wenigen konservativen Orthodoxen als ein Hauptwidersacher angesehen. Doch beim 10. Gebetsfrühstück seit 1995 versicherte er, nur die Russische Orthodoxe Kirche (ROK) könne „den Prozeß geistlicher Erneuerung in Rußland anführen“. Erziehung und das Herausbilden moralischer Werte bei Kindern und Jugendlichen waren die Hauptthemen dieses Frühstücks und Rjakhowski rief alle christlichen Konfessionen dazu auf, „Sonntagsschulen in massiver Anzahl zu schaffen“. Unter den Orthodoxen erkennt der Bischof Ansätze einer geistlichen Erneuerung: „Sie treten aus ihren Kirchen heraus und wenden sich den Menschen zu. Protestanten müßten sich auch verändern: „Sie müssen sich auch aus ihren Bethäusern entfernen und auf die Leute zugehen.“
Zum Abschluß des Tages erhielt Alexander Borisow, ein Mitarbeiter des ermordeten Alexander Men und ein langjähriger Verfechter der innerkirchlichen Zusammenarbeit, eine Auszeichnung für seine Verdienste als Leiter der Russischen Bibelgesellschaft. „Dank sei Gott, daß seit 20 Jahren Menschen aus den verschiedenen Konfessionen in unserer Bibelgesellschaft zusammenarbeiten, um die Bibel zu publizieren!“ rief er aus. Protestanten merkten bei der Laudatio an, daß Vater Borisow schon zu Sowjetzeiten ein mutiger Verfechter zwischenkirchlicher Solidarität gewesen sei. Er und ein weiterer orthodoxer Redner sprachen die Versammelten als „Brüder und Schwestern“ an.
Lob aus der staatlichen Ecke war auch keineswegs knapp. Sergei Melnikow aus der Administration des Präsidenten der Russischen Föderation versicherte z.B., die Protestanten seien „ein unverzichtbarer Bestandteil der sozialen und politischen Landkarte Rußlands“.
Die allgemeine Stimmung wurde jedoch gedrückt durch den vorzeitigen Auszug des jungen Geistlichen Alexander Wasjutin aus der Abteilung für kirchliche Außenbeziehungen bei der ROK. Nach einjähriger Unterbrechung war das Moskauer Patriarchat wieder bereit gewesen, einen offiziellen Repräsentanten zu entsenden. In seiner kurzen Ansprache am Anfang der Veranstaltung, versicherte Wasjutin, das moralische Vakuum unter der Jugend lasse sich nur „durch die gemeinsamen Anstrengungen von religiösen Organisationen, Staatsvertretern und der gesamten Gesellschaft überhaupt entgegenwirken“. Er fügte hinzu, daß importierte westliche Werte wie Liberalismus und Pluralismus „unserer Gesellschaft keine Antworten liefern und weiterhin einen negativen Einfluß auf die kommende Generation ausüben“.
Ein folgender Redner, Rabbi Jitzhak Kogan von der Bronnaja Synagoge in Moskau, lobte genau die demokratischen Werte von Toleranz und Vielfalt als Ausgangsbasis für das Gedeihen der russischen Gesellschaft. Als der Pfingstpastor Wiktor Filyk (Murmansk) für eine Beibehaltung des weltlichen Schulsystems als Mittel zur Erhaltung des sozialen Friedens plädierte, verließ Vater Wasjutin entgültig den Saal. Dabei hatte Filyk gesagt: „Es ist wichtig, daß unsere weltlichen Schulen ihren weltlichen Character beibehalten.“ Seine Haltung war bedingt durch die Befürchtung, starke Diskrepanzen zwischen dem, was Kinder in der Schule und zuhause hören, zu traumatischen Beziehungen zwischen Eltern und ihren Kindern führen könnten.
Auch in anderen Zusammenhängen lieferte das 10. Gebetsfrühstück ein Kontrastprogramm. Bei einer seiner letzten Handlungen als Präsident der Russischen Union der Evangeliumschristen-Baptisten (RUECB), überreichte Pastor Juri Sipko Alexander Soldatow, dem Chefredakteur des oppositionellen, orthodoxen Nachrichtendienstes „Portal-Credo“, eine Auszeichnung für unabhängige und objektive Berichterstattung. Ein bewegter Alexander Soldatow erwiderte, daß seine Reporter „nicht selten unter lebensbedrohlichen Bedingungen“ arbeiten müßten. Die religiöse Diskriminierung nehme von Monat zu Monat zu und werde dazu führen, daß sich sein Dienst zum 1. April auf ein völlig neues, technisches Format umstellen müsse. “Unser Schicksal liegt in den Händen Gottes,” versicherte der Journalist. Ein professioneller Chor reagierte auch auf diese Auszeichnung mit einem traditionellen Ständchen, das dem Betroffenen 100 Jahre weiteren Dienstes wünscht. Nur Minuten zuvor hatte Bischof Rjakhowski den russischen Präsidenten Dimitri Medwedew gelobt wegen seines „höchst geistlichen Ansatzes“ bei der Führung des Landes.
Im Unterschied zum vorigen Jahr waren nahezu sämtliche Flügel des russischen Protestantismus unter den 400 Gästen vertreten. Innerprotestantische Beziehungen haben sich verbessert. Alle drei protestantischen Mitglieder des „Rats für die Zusammenarbeit mit religiösen Organisationen am Sitz des russischen Präsidenten“ (Rjakhowski, der evangeliums-christlicher Geschäftsmann Alexander Semtschenko und der Adventistenpräsident Wassili Stoljar) waren zugegen. Vor einem Jahr hatten sie gefehlt. Erstmalig waren auch Repräsentanten aus zumindest fünf afrikanischen Botschaften dabei; anwesend waren ebenfalls Diplomaten aus den USA, Ungarn und Finnland.
Nach dem Ereignis erläuterte der Baptistenpastor Witali Wlasenko, Vorstandsvorsitzender der russischen „Stiftung Nationales Gebetsfrühstück“ und Abteilungsleiter für kirchliche Außenbeziehungen bei der RUECB: „Wenn wir alle vertreten sind, läßt sich nicht verhindern, daß Differenzen an die Oberfläche gelangen. Wir Protestanten sowie die Katholiken und Orthodoxen betonen verschiedene Aspekte der russischen Erfolge und Niederlagen. Deshalb auch ist unser Dialog so wichtig. Es gibt keine Alternative dazu, daß wir fortfahren und uns bemühen, die Aussichten auf geistliche Eintracht zu erhöhen.“
Wlasenko berichtete, daß 11 Gebetsfrühstücke in diesem Jahr in Rußland stattfinden werden. Ein wichtiges, regionales Frühstück findet im Konstantinowski-Palast zu Sankt Petersburg am 18. Mai statt.
Dr.phil. William Yoder
Moskau, den 19. März 2010
Stiftung Nationales Gebetsfrühstück
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