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Unterweisung zu Hause ist am besten

Die Moral mit unmoralischen Mitteln durchsetzen

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Interview mit dem Präsidenten der Russischen Union der Evangeliumschristen-Baptisten

 

M o s k a u -- Die religiöse Erziehung der Kinder ist Elternpflicht. Das war die Meinung von Juri Sipko (Moskau), dem Präsidenten der „Russischen Union der Evangeliumschristen-Baptisten“ (RUECB), in einem Interview mit dem alternativen, orthodoxen Moskauer Pressedienst „Portal-Credo“ am 9. September. Anlaß war die Ankündigung, gegen Ende des gerade angelaufenen Schuljahres in mehreren Regionen Rußlands den Kurs „Geistlich-moralische Erziehung“ als obligatorisches Schulfach einzuführen. Dieser Kurs hieß bis vor kurzem „Grundlagen orthodoxer Kultur“ und wird von der Russischen Orthodoxen Kirche Moskauer Patriarchats wesentlich mitbestimmt.

 

Doch nach Sipko seien der russische Staat und die Gesellschaft dermaßen stark in Lüge und Korruption verstrickt, daß sie gar nicht imstande seien, der jüngeren Generation moralische Werte zu vermitteln. Wir denken, „unsere Kinder werden religiöse Geheimnisse sowie geistliche und ethnische Normen in sich aufnehmen, doch diese haben sich weder Eltern noch Lehrer selber angeeignet. Das trifft auch für die Diener der Kirche zu. Wann hören wir endlich auf, uns selber etwas vorzumachen?“ Heute sei man sich selber die größte Gefahr; gegenwärtig werde das russische Volk von der ungeistlichen und unmoralischen Haltung der eigenen Gesellschaft gefährdet. „Jene, die Gesetze verfassen und vollstrecken, verstoßen ungestraft gegen dieselben.“ Hinzu komme, daß die führenden Generationen unserer Gesellschaft allesamt im Atheismus und Darwinismus erzogen worden seien. Doch „in der Gottlosigkeit gibt es keine Moral; sie ist im Grunde unmoralisch.“

 

Präsident Sipko wies ferner daraufhin, daß die Einführung von Maßnahmen, die die Orthodoxie begünstigen, gegen die äußerst wichtige, in der Verfassung verankerte Gleichstellung aller Religionen verstoße. „Die Moral läßt sich nicht mit unmoralischen Mitteln durchsetzen.“

 

Dieser Unterricht soll eingangs für Schüler am Ende des vierten und am Anfang des fünften Schuljahres eingeführt werden. Auch das ist für Sipko problematisch: „Um wirklich Neues aufzunehmen, ist es dann wahrscheinlich zu spät. Mit 12 Jahren ist es bei Kindern schon so weit, daß sie Erwachsene - auch Eltern und Lehrer - schamlos auslachen.“

 

Er vermutet, die Schule „werde mit der Religion das machen, was sie bereits mit der kommunistischen Ideologie gemacht hat. Wir erinnern uns an die Spielereien bei den Pionieren und beim Komsomol. Dank der Massenanwendung wurde eine ganze staatliche Ideologie zum Gespött, das sich zersetzend auf die Seelen der Kinder auswirkte.“ Die religiöse Bildung des zaristischen Staates „brachte den Menschen den Haß auf die Religion bei. Schließlich haben Menschen, die den Religionsunterricht durchlaufen hatten, die Kirchen, die heiligen Bücher und sogar die Geistlichen selbst vernichtet.“

 

Juri Sipko erkennt die einzige Lösung darin, daß Eltern ihre Erziehungspflicht auch in religiösen Belangen wahrnehmen. „Ich hätte in unseren Schulen einen Kurs Ethik vorgezogen,“ fügte er hinzu. „Ich hätte die Einhaltung der Verfassung vorgezogen.“ Nur so wäre die Glaubensneutralität des Staats zu wahren gewesen.

 

Die RUECB, die größte einheitliche, protestantische Kirche Rußlands, vertritt rund 80.000 erwachsene Mitglieder in 1.750 Ortsgemeinden und Gruppen.

 

Dr. William Yoder

Abteilung für kirchliche Außenbeziehungen der RUECB

Moskau, den 24. September 2009

 

Eine Veröffentlichung der Abteilung für kirchliche Außenbeziehungen bei der Russischen Union der Evangeliumschristen-Baptisten. Sie will informieren und erhebt nicht den Anspruch, eine einheitliche, offizielle Position der RUECB-Leitung zu vertreten. Zur Veröffentlichung freigegeben. Meldung Nr. 09-23, 450 Wörter oder 3.231 Anschläge mit Leerzeichen.