Baptistisches Kinderlager in Usbekistan gefährdet
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Gerichtsverfahren in Taschkent eingeleitet
M o s c o w – Rechtzeitig zu Beginn der Sommerferien ist das Kinderlager der usbekischen Baptisten “Radost” (Freude) in den Bergen nahe der Hauptstadt Taschkent geschlossen worden. Sein Direktor, der baptistische Laienprediger und Geschäftsmann Dmitri Pitirimow, wurde am 7. Juli von der Polizei verhört. Ein Gerichtsverfahren wurde eingeleitet. Das 1996 gegründete Lager hat in den letzten Jahren jeweils acht sommerliche Kinderwochen mit bis zu 70 Teilnehmern durchgeführt. Die Gesamtzahl der Kinder pro Sommer belief sich auf rund 500.
Die Kampagne gegen die „Freude“ begann am 15. Juni als die Zeitschrift „Horizont“ einen Aufsatz
abdruckte mit der Überschrift: „Die traurigen und verbrecherischen Taten der ‚Freude’“. Es folgten Beiträge in anderen Zeitungen und Medien. Der Aufsatz im „Horizont“ zitiert den Fall eines
Schülers der fünften Klasse, der im vergangenen Sommer an einer Kinderwoche im Lager teilgenommen hatte. Nach den Berichten der Eltern fiel danach sein verstörtes Verhalten auf. Da er sich für
einen Sünder hielt, war er nicht mehr fröhlich, versuchte vor Mahlzeiten zu beten und las ständig aus Schriften, die er irgendwie im Zusammenhang mit dem Lager ergattert hatte. Der Verfasser
folgert: „Er hat eine psychologisches Trauma erlitten, dessen Überreste ihm bis zum Ende seines Lebens begleiten werden.“ Der Aufsatz hält es für unglaublich, daß usbekische Bürger ihre Kinder
freiwillig in die Hände eines Baptistenpastors geben würden. „Ist der Sohn zum Sektierer geworden,“ fragt der Verfasser. „Horizont“ wirft dem Lager vor, Zwietracht in muslimische Familien gesät
und bewußt Minderjährige gegen deren Eltern aufgebracht zu haben. Der Artikel weist ferner auf die verdächtig niedrigen Preise des Lagers hin: ungefähr $5 US pro Woche. Er schreibt wiederholt,
daß dieser vermeintlich „kostenlose Käse“ mit wesentlichen Auflagen verbunden sei.
Dmitri Pitirimow erwidert, kein Kind werde ohne einen von den Eltern oder Erziehungsberechtigten unterschriebenen Einweisungsschein (Putjowka) aufgenommen. Er kann auch den Einweisungsschein vorweisen, den Raissa Aslanowa, die Mutter des Kindes, für ihren Sohn und ein weiteres Kind unterschrieben hatte. Alle Einweisungsscheine weisen ausdrücklich darauf hin, daß die „Freude“ ein baptistisches Lager sei und erläutern ferner, was die Baptisten eigentlich seien. Kinder werden sogar ermutigt, eine Bibel mitzubringen. Der Zweck des Lagers wird als „geistliche Erbauung“ beschrieben und Eltern unterschreiben an einer Stelle, wo es heißt: „Der Sinn dieser Erholungseinrichtung ist mir bekannt. Die Sicherheitsbestimmungen sind mir vertraut und ich stimme den Bedingungen für den dortigen Aufenthalt zu.“
Der Lagerleiter versichert, es habe sich nichts im Geheimen abgespielt – eine Liste der Kinder wurde wöchentlich an die Miliz übergeben. Er behauptet ferner, das Lager gebrauche keine religiöse Literatur und gebe auch keine an die Kinder weiter. Statt dessen würden viele kindergerechte Filme vorgeführt: „Unsere Zusammenkünfte sind immer interessant. Wir bieten viele Spiele und Lieder; es gibt viel Spaß und Gelächter.“
Der genannte Artikel berichtet auch vom “traurigen Zustand“ der Sanitäranlagen des Lagers. Doch Pitirimow erwidert: „Unsere sanitären Bedingungen sind nicht schlechter, und sogar oftmals besser, als jene der umliegenden Erholungseinrichtungen.“ Nach geringfügigen Aufbesserungen wurde im vergangenen Sommer die „Freude“ vom sanitären Dienst zugelassen.
Ist Usbekistan ein muslimisches Land?
Es wird angegeben, die usbekische Bevölkerung von 27,7 Million sei zu 89% muslimisch. Doch Dmitri Pitirimow, ein in Usbekistan geborener Mensch russischer Nation, besteht darauf, daß Usbekistan kein muslimisches Land sei. Das Land verfüge weiterhin über eine säkulare Staatsverfassung, die den Gläubigen jeglicher Benennung gleiche Rechte einräume. „Bei uns gibt es keinen Streit zwischen muslimischen und christlichen Gläubigen“. Im Bezug auf muslimische Gruppen, die sich nicht mit dem Staat verbünden, fügt er hinzu: „Muslime sind einer stärkeren Verfolgung ausgesetzt als wir Christen.“ In Usbekistan handle es sich um eine Auseinandersetzung zwischen einem militant säkularistischen Staat und Gläubigen. In der medialen Kampagne erkennt er einen Versuch des Staates, den Ruf der Union der usbekischen Baptisten zu beschädigen und das Kinderlager zu schließen. „Doch niemals hat das Land über muslimische Kinderlager verfügt.“ Trotz seiner offiziell säkularen Haltung definiert die usbekische Gesetzgebung jüngsten Datums den Proselytismus und jegliche missionarische Tätigkeit als strafbare Verhandlung, die mit bis zu drei Jahren Gefängnis zu ahnden sei.
Nach einem Exodus nach Rußland und dem Westen verfügt die Baptistische Union Usbekistans nur noch über 2.700 Mitglieder in rund 60 Gemeinden und Gruppen. Die meisten von ihnen sind erst nach 1990 Christen geworden. Menschen usbekischer Nation, die sich heute zu Christus bekehren, halten die Tatsache meistens geheim. Die größten protestantischen Gemeinden des Landes sind charismatischer Orientierung; die Mehrheit der Christen, die in Usbekistan verbleiben, sind ethnisch-russische Orthodoxe.
Dr. William Yoder
Abteilung für kirchliche Außenbeziehungen der RUECB
Moskau, den 15. Juli 2009
Eine Veröffentlichung der Abteilung für kirchliche Außenbeziehungen bei der Russischen Union der Evangeliumschristen-Baptisten. Sie will informieren und erhebt nicht den Anspruch, eine einheitliche, offizielle Position der RUECB-Leitung zu vertreten. Zur Veröffentlichung freigegeben. Meldung Nr. 09-22, 713 Wörter oder 5.129 Anschläge mit Leerzeichen.