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Alexander Dworkin leitet eine staatliche Kommission

Den Esel mit dem Schutz des Gemüsegartens beauftragen

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Alexander Dworkin wird Leiter der neuen Religionskommission im Justizministerium

 

M o s k a u – Am 3. April wurde Alexander Dworkin, der russische Priester, der für die Verleumdung von religiösen Gemeinschaften, die nicht zum Moskauer Patriarchat der russischen Orthodoxie gehören, berühmt ist, zum Vorsitzenden der „Kommission für die Anwendung staatlicher Expertise über die Religionswissenschaft“ beim Justizministerium gewählt. Genau ein Monat zuvor am 3. März war die Kommission offiziell ins Leben gerufen worden. Der US-Staatsbürger Dworkin soll 1983 das “Saint Vladimir's Orthodox Theological Seminary” in Crestwood/Bundesstaat New York absolviert haben und versteht sich als Sektenkundler. Er ist wegen der eingeworfenen Fensterscheiben und anderer Akten des Vandalismus, die auf seine Auftritte in der russischen Provinz folgen, bekannt. Das Wahlergebnis erzeugte einen sofortigen und heftigen Widerspruch seitens der Religionswissenschaftler und vieler anderer Bürger, die den multiethnischen und multikonfessionellen Charakter der russischen Gesellschaft bejahen. Mit einem Hinweis auf die russische Literatur verglich der Religionsexperte Michael Sitnikow Dworkins Wahl mit dem Versuch, „den Esel mit dem Schutz des Gemüsegartens zu beauftragen“.

 

Diese Kommission ersetzt eine ältere Regierungskommission von Religionswissenschaftlern, die im Juni 1998 geschaffen wurde, um den Staat in religionsbetreffende Fragen zu beraten. Diese Kommission, die auf ihre Überparteilichkeit großen Wert legte, hatte geholfen, das Registrieren von geschäftlichen Interessen, die sich als Glaubensvereine verkleiden wollten, zu verhindern. Doch nur die neue, unter dem Schirm des Justizministeriums agierende Kommission wird über weitreichende Befugnisse verfügen. Sie wird daran beteiligt sein, die Gesetzgebung über religiöse Organisationen zu inszenieren und auszuführen. Der Soziologe Sergei Filatow folgerte: „Nun wird der Staat für den Haß und die Verleumdung, die aus Dworkin emporschießen, geradestehen dürfen.“

 

Russischer Justizminister ist seit Mai 2008 der Anwalt Alexander Konowalow (geb. 1968), der von manchen als orthodoxen Mönch bezeichnet wird. Er ist auf jeden Fall ein überzeugter Schüler des 1955 geborenen Dworkin und war offensichtlich dafür verantwortlich, daß sein ehemaliger Lehrer ins Justizministerium geholt wurde. Ein Stellvertretender Vorsitzender der Kommission ist Roman Silantew, der für seine Ausfälle gegenüber den 20 Millionen Muslimen Rußlands bekannt ist. Ein weiteres Kommissionsmitglied ist der Journalist Jewgeni Mukhatarow, der – wie Dworkin – schon häufig Pfingstler und Charismatiker attackiert hat. Ein besonders renommiertes Mitglied ist der offizielle Chefideologe der Regierungspartei „Einheitliches Rußland“: Iwan Demidow. Demidow, auch ein bekannter Fernsehshowmeister, ist ein Anhänger der antidemokratischen Ideologie des „Neo-Eurasianismus“. Nur ein Mitglied der alten Kommission gehört der neuen an. Roman Lunkin, ein Forschungskandidat der Russischen Akademie der Wissenschaften, beschreibt das Justizministerium als „auf dem Kriegspfad“. Der Justizminister habe die ursprüngliche Kommission von wissenschaftlichen Experten durch eine „orthodoxe Kampftruppe“ ohne wissenschaftlichen Anspruch ersetzt.

 

Reaktion der Nichtorthodoxen

In einem Interview mit dem alternativen, orthodoxen Nachrichtendienst “Portal-Credo” reagierte Juri Sipko, der Präsident der Russischen Union der Evangeliumschristen-Baptisten (RUECB) mit Verzweiflung. Er beklagte das Unvermögen des russischen Staates, seine eigene Gesetzgebung durchzusetzen und fragte: „An wen sollten wir uns noch wenden wenn sogar das Verfassungsgericht nicht gewillt ist, die eigene Verfassung zu verteidigen?“ Er bezeichnete es als angebracht, mit Witz auf die gegenwärtige Entwicklung zu antworten. Nach seiner Überzeugung befasse sich die Regierung schon seit langem mit dem steten Versuch, die Glaubensfreiheit möglichst einzuschränken.

 

Ein Stellvertreter, Witali Wlasenko, Abteilungsleiter für kirchliche Außenbeziehungen bei der RUECB, war optimistischer. Er – wie bereits Michael Sitnikow – möchte glauben, daß nicht alle staatlichen Ministerien dem merkwürdigen Beispiel des Justizministeriums folgen werden. „Vielleicht handelt es sich einfach um einen Irrtum“, meinte Wlasenko. „Wir stehen nicht alleine in der Opposition und hoffen, daß die Kommission noch erweitert wird. Dann würde sie auch die Stimme der Protestanten und die volle Breite religiösen Lebens in Rußland widerspiegeln. Der Baptist ist auch um die geistlichen Folgen besorgt. „Ich bange um das Zeugnis der Russischen Orthodoxen Kirche. Eine christliche Inquisition wäre noch sehr viel schädlicher für unser Zeugnis als die alte atheistische es jemals hätte sein können.“

 

Womöglich lieferte Sergei Rjachowski, Bischof der „Vereinigten Russischen Union der Christen Evangelisch-Pfingstlerischen Glaubens“, das schlagendste Argument. Als Mitglied des von Dimitri Medwedew verantworteten „Präsidialen Rates für die Zusammenarbeit mit religiösen Vereinigungen“ verteidigt er oft die Sache der Protestanten mit Hinweisen auf den Patriotismus. Dworkin, der bis 1990 zwei Jahrzehnte in den USA verbracht hatte, wirft er vor, Zweitracht und Destabilisation nach Rußland zu importieren. „Gewissensfreiheit und Menschenrechte berühren die Sicherheit der Russischen Föderation. Wenn eine Destabilisierung geschieht, wird auch der Staat gleich mit destabilisiert, denn es werden Millionen von Bürgern davon betroffen.“ Im wesentlichen werfen sich Rjachowski und Dworkin gegenseitig vor, verkappte Amerikaner zu sein.

 

Der Großmufti Rußlands, Rawil Gaynetdin (Kasan), berichtete, russische Muslime würden der neuen Kommission wegen ihrer Parteilichkeit und des Fehlens jeglicher wissenschaftlichen Expertise keine Beachtung schenken. Er fügte hinzu: „In Anbetracht dessen skandalöser Entstehungsumstände werde ich dieses Staatsorgan nicht weiter kommentieren.“

 

Wenn nicht damit zu rechnen ist, daß russische Gerichte überpartaiisch entscheiden, kann das Straßburger Europäische Gericht für Menschenrechte mit noch vielen weiteren Fällen aus östlicher Richtung rechnen. Das „Slawische Zentrum für Recht und Gerechtigkeit“ in Moskau hat bereits damit begonnen, die vom Justizministerium geschaßte Expertenkommission für Glaubensfragen neu entstehen zu lassen. Das Zentrum hat enge institutionelle Bindungen mit dem in Straßburg ansässigen „Europäischen Zentrum für Recht und Gerechtigkeit“. Beide sind Filialen der in Washington beheimateten American Center for Law and Justice”. Roman Lunkin berichtet, daß das Justizministerium zuerst die Moskauer Niederlassung der “Russischen Bibelgesellschaft” ins Visier nehmen will. Ihr wirft das Ministerium vor, keine religiöse Organisation zu sein. Obwohl überwiegend protestantisch in ihrer Zusammensetzung, vertreibt die Gesellschaft die offiziell kanonisierte orthodoxe Fassung der Heiligen Schrift.

 

Weshalb machen sich jüngere Politiker in Rußland so viel Mühe, den Nichtorthodoxen das Leben zu erschweren? Die Politikwissenschaftlerin Anastasia Mitrofanowa weist darauf hin, daß viele von ihnen in säkularen Familien mit Beziehungen zur kommunistischen Partei aufgewachsen seien. Auch deshalb seien sie an das Schwarz-Weiß-Denken gewohnt. Erst im Erwachsenenalter konvertiert und getauft, neigen Neubekehrte mit einer derartigen Biographie dazu, „päpstlicher als der Papst“ zu sein.

 

Dr. William Yoder

Abteilung für kirchliche Außenbeziehungen der RUECB

Moskau, den 13. April 2009

 

Außer Gaynetdin haben alle der genannten Personen einen Moskauer Wohnsitz.

 

Eine Veröffentlichung der Abteilung für kirchliche Außenbeziehungen bei der Russischen Union der Evangeliumschristen-Baptisten. Zur Veröffentlichung freigegeben. Meldung Nr. 09-13, 938 Wörter oder 7.319 Anschläge mit Leerzeichen.

Anmerkung von Oktober 2020: Etwas Seltenes passierte nach der Veröffentlichung dieses Aufsatzes: Alexander Dworkin meldete sich bei mir und lud mich zu sich nach Hause ein. Daraus entwickelte sich eine Freundschaft. Da wurde mir rasch klar, daß ich nicht mehr so kritisch wie bisher über ihn schreiben konnte; die Freundschaft bindet einen mehr als die Gegnerschaft.