Der orthodoxe Leiter, den russische Protestanten am besten kennen
-------------------------------------------------------------------------------
Metropolit Kirill zum Patriarchen Rußlands gewählt
M o s k a u – Die Leitung der russischen Baptisten vertritt die Auffassung, die Wahl des Metropoliten Kirill zum “Patriarchen von Moskau und ganz Rußland“ in der russischen Hauptstadt am 27. Januar lasse sich als klares Bekenntnis zur Offenheit und zum Dialog auslegen. Die Russische Orthodoxe Kirche – Moskauer Patriarchat (ROK) habe als Oberhaupt den gewählt, der gerade wegen seiner Offenheit gegenüber anderen Konfessionen gewürdigt – und scharf kritisiert – werde. Witali Wlasenko, Abteilungsleiter für kirchliche Außenbeziehungen bei der Russischen Union der Evangeliumschristen-Baptisten (RUECB), sagt: „Ich bin sehr optimistisch. Kirill ist der brillanteste Metropolit im Rahmen der ROK. In unseren kurzen, persönlichen Begegnungen hat er sich stets sehr nett und respektvoll geäußert. Die meisten protestantischen Kontakte auf oberster Ebene zum Moskauer Patriarchat sind über ihn gelaufen.“ Er sei der orthodoxe Leiter, mit dem russische Protestanten am meisten vertraut seien.
Kirill ist seit 1971 in interkonfessionellen Organisationen wie dem Genfer Weltrat der Kirchen aktiv gewesen. RUECB-Präsident Juri Sipko weist darauf hin, er sei deshalb die Person in der russischen Orthodoxie, die auch die kirchliche Weltgemeinschaft am besten kenne. Kirill leitet seit 1989 das Kirchliche Außenamt seiner Kirche. Sipko beschreibt ihn als einen „sehr kreativen, hoch gebildeten und organisierten Leiter. Er ist ein sehr energischer und patriotischer Diener seiner Kirche. Ich bin überzeugt, daß sich unser Verhältnis zu ihm im Geiste brüderlicher Liebe und gegenseitigen Respekts fortsetzen werde.“ In einem Grußwort an den neuen Patriarchen schreibt Sipko: „Wir schätzen den gewaltigen Beitrag, den Sie zur Entwicklung des interkirchlichen und interreligiösen Dialogs geleistet haben, sehr hoch ein.“
Pastor Wlasenko merkt an, Metropolit Kirill habe wesentlich zur Schaffung zweier interkonfessioneller Gremien beigetragen, die für russische Protestanten von entscheidender Bedeutung seien. Obwohl im Augenblick wieder inaktiv, sei eine erneute Tagung des orthodox-protestantisch-katholischen „Christlichen Interkonfessionellen Beratungskomitees“ (Christian Inter-Confessional Advisory Committee – CIAC) nach siebenjähriger Unterbrechung in Moskau am 2. Oktober 2008 den Bemühungen Kirills zu verdanken. Orthodox-baptistische Konsultationen über moralische Werte – die dritte und bisher letzte fand im Februar 2007 statt – wären ohne die Mitwirkung des Metropoliten undenkbar gewesen. Die Führung der russischen Baptisten hegt die Hoffnung, beide Gremien mögen in absehbarer Zeit die Arbeit wieder aufnehmen.
Doch Dr. Peter Mitskewitsch, Rektor des Moskauer Theologieseminars und Leitender Vizepräsident der RUECB, warnt davor, mit einer raschen Lösung vorhandener Differenzen zu rechnen. „Der neue Patriarch wird von den Ansichten und Überzeugungen seiner Kollegen im übrigen Rußland abhängig bleiben.“ Mitskewitsch sowie Sipko reden von Kontinuität. Sipko meint, der am 5. Dezember verstorbene Patriarch Alexei II. habe bereits den Weg des Dialogs und der Verständigung mit den russischen Protestanten eingeschlagen. Er sagt: „Ich bin zutiefst davon überzeugt, daß Kirills Dienst als Oberhaupt der Russischen Orthodoxen Kirche eine Fortsetzung der guten Tradition sein werde, die Alexei II. eingeführt habe.“
Trotz seiner Offenheit gegenüber interkonfessionellen Beziehungen ist der 1946 als Wladimir Mikhailowitsch Gundjajew in Leningrad geborene Kirill eindeutig konservativ in moralischer und theologischer Hinsicht. (Bei russischen Baptisten liegt der Fall ähnlich.) Nachdem Kirill bei der Europäischen Ökumenischen Versammlung in Sibiu (Hermannstadt) im September 2007 die ökumenische Bewegung kritisiert und zu einer Wiederbelebung des europäischen Konservativismus und der christlichen Gesellschaft aufgerufen hatte, waren es die russischen Baptisten, die ihm zur Seite sprangen. Damals meinte Witali Wlasenko: “Der europäischen Gesellschaft sind wir Russen noch Fremdlinge – und das trifft auch für mich zu.” (Siehe unsere Presseerklärung vom 13.9.2007.)
Kirill, seit 1991 Metropolit von Smolensk und Kaliningrad, wird am 1. Februar als Patriarch inthronisiert. Am Tag darauf findet ein feierlicher Empfang statt. Die RUECB-Führung ist zu beiden Ereignissen eingeladen worden.
Trotz einer niedrigen Prozentzahl regelmäßiger Kirchgänger gibt es bis zu 100 Millionen unter den 142 Millionen Bürger Rußlands, die sich zur Orthodoxe zählen. Die RUECB, die größte einheitliche, protestantische Kirche Rußlands, vertritt heute rund 80.000 erwachsene Mitglieder in 1.750 Ortsgemeinden und Gruppen.
Dr. William Yoder
Abteilung für kirchliche Außenbeziehungen der RUECB
Moskau, den 29. Januar 2009
Eine Veröffentlichung der Abteilung für kirchliche Außenbeziehungen bei der Russischen Union der Evangeliumschristen-Baptisten. Meldung Nr. 09-2, 607 Wörter oder 4.588 Anschläge mit Leerzeichen.