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Denton Lotz denkt über Rußland nach

Starke Familien statt starke Kirchengebäude

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Gedanken von Dr. Denton Lotz nach Besuchen in der UdSSR und Rußland im Laufe von 49 Jahren

 

M o s k a u – Trotz gravierender sozialer und wirtschaftlicher Mißstände ist Dr. Denton Lotz (Forestdale, Massachusetts/USA), der pensionierte Generalsekretär des Baptistischen Weltbundes, optimistisch bezüglich der Zukunft der russischen Baptisten. Lotz, der von 1988 bis 2007 als Generalsekretär diente, besuchte von 12. bis 15. Dezember die Feierlichkeiten zum 15. Jubiläum des Moskauer Theologieseminars (MTS) und zum 40. Jubiläum des auf Fernstudium ausgerichteten Moskauer Bibelinstituts. Pastor Lotz, der im Dezember 1959 der Sowjetunion den ersten seiner fast unzähligen Besuche abstattete, wies darauf hin, daß viele Fragen, mit denen die Russische Union der Evangeliumschristen-Baptisten (RUECB) heute konfrontiert sei, die Protestanten in sehr vielen Ländern zu schaffen machten. Zu ihnen zählten der Generationskonflikt sowie das Mißtrauen, das Ortsgemeinden und regionale Stellen einem zentralen, nationalen Bund entgegenbringen.

 

Im raschen Anwachsen baptistischer Gemeinden in der Megastadt Moskau sieht Denton Lotz einen Grund für Optimismus und Dankbarkeit. „Noch 1989 gab es in Moskau nur eine einzige Baptistengemeinde; nun gibt es 26. Die Freiheit traf ein und brachte viele Veränderungen mit sich.“ Da es dem MTS gelungen sei, eine Reihe autonomer Hochschulen in Filialen seiner eigenen Einrichtung zu verwandeln, schreibt er dem Seminar eine führende, einigende Rolle bei der Festigung der RUECB zu. „Vor 20 Jahren arbeiteten viele unserer Gemeinden ausschließlich mit überkonfessionellen Missionen zusammen, was der Einheit der Union schadete. Doch inzwischen sind die meisten überkonfessionellen Gruppen nach Hause zurückgekehrt. Ich meine, daß die neue Seminarführung unter Leitung von Dr. Peter Mitskewitsch stark zur Einheit beigetragen hat. Studenten treffen aus allen Regionen des Landes ein und das gemeinsame Studieren vermittelt ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl. Die russischen Baptisten entwickeln ihre eigenen Theologen und Lehrer und diese Menschen können besser auf die Fragen eingehen als Außenstehende, die häufig den Kontext und Kultur Rußlands nicht verstehen.

 

Lotz ist beeindruckt vom neuen Ansatz in der theologischen Ausbildung der russischen Baptisten. Dem MTS sei es gelungen, Hochschulen mit einer Gesamtzahl von 400 bis 500 vollzeitigen und externen Theologiestudenten unter einen Hut zu bringen. Zutreffend auch im Weltmaßstab sei der Umstand, daß die Absolventen theologischer Seminare oftmals außerstande seien, vollzeitige Arbeitsstellen mit einem vollständigen Gehalt für die Versorgung einer Familie zu finden. Der zweiberufliche Pastor mit einer teilzeitigen Stelle im säkularen Bereich hält er für das verheißungsvollste, längerfristige Modell. Bereits zu Sowjetzeiten seien Baptistenpastoren gleichzeitig in mehreren Berufen tätig gewesen.

 

Dr. Lotz legte den Baptisten Rußlands nahe, ihre traditionellen Stärken zu pflegen – bei der Größe und Zahl orthodoxer Kirchenbauten würden sie niemals mithalten können. „Nach der Perestroika begannen wir damit, uns die Mentalität der Orthodoxen anzueignen. Eine Kirche mußte groß sein und wie eine uralte Kirche aussehen. Also wurden unsere Bauprojekte manchmal zu extravagant und zu ehrgeizig. Wir sollten deshalb einem anderen Kirchenmodell nacheifern,“ betonte Pastor Lotz. „Die Kirche als Leib Christ stellt mehr als nur ein Gebäude dar. Das ist unser evangelisches Verständnis von Kirche. Zu kommunistischen Zeiten wurde der Staat immer wieder von der moralischen Stärke der Baptisten überrascht. Das Gleiche gilt noch heute. Die russischen Baptisten verfügen weiterhin über ein hervorragendes Zeugnis durch die Hervorkehrung ihres starken Familienlebens.“ Der Gast fügte hinzu, daß die russischen Baptisten stärker als westliche Baptisten den evangelistischen Eifer verinnerlicht hätten. Im Gegensatz zu Teilen der Welt, in denen die Baptisten die Mehrheit stellten, blieben die Baptisten Rußlands eine kleine, alternative Minderheit, die sich auch aus diesem Grunde mühelos von der Allgemeinheit absetzen und einen biblischeren Lebensstil anbieten könne.

 

In einem Beitrag am Seminar riet Denton Lotz den versammelten Baptisten, gegenüber der charismatischen Bewegung Geduld walten zu lassen. Er merkte an, daß manche Pfingstkirchen wie die 1914 gegründete „Assemblies of God“ inzwischen starke Ähnlichkeiten mit den Baptisten in Theologie und Praxis aufwiesen und oftmals nicht mehr darauf bestünden, daß alle in Zungen redeten. Er meint, die dritte Generation der Kirchenglieder kehre nicht selten zu den Praktiken der ursprünglichen, größeren Kirche vor deren Aufspaltung zurück.

 

Die RUECB, die größte einheitliche, protestantische Kirche Rußlands, vertritt heute rund 80.000 erwachsene Mitglieder in 1.750 Ortsgemeinden und Gruppen. Ihr Präsident ist Juri Sipko.

 

Dr. William Yoder

Abteilung für kirchliche Außenbeziehungen der RUECB

Moskau, den 18. Dezember 2008

 

Eine Veröffentlichung der Abteilung für kirchliche Außenbeziehungen bei der Russischen Union der Evangeliumschristen-Baptisten. Meldung Nr. 08-58, 647 Wörter.

 

Anmerkung im November 2020: Als Leiter des Baptistischen Weltbundes (BWA) von 1988 bis 2007 verbrachte Denton Lotz (1939-2019) Jahre damit, die nordamerikanischen Südbaptisten (SBC) von einem Ausstieg abzuhalten. Nichtsdestotrotz verließ die SBC die BWA im Jahre 2004. Seine Schwägerin Anne Graham Lotz (geb. 1948) ist eine Tochter des verstorbenen Evangelisten Billy Graham.