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Politische Sorgen in Kirgistan

Die Stille vor dem Sturm

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Kirgisische Baptisten bereiten sich auf einen schwierigen Herbst vor

 

B e r l i n -- Im Spätsommer 2008 hat Alexander Schumilin, Generalsekretär der Union der Evangeliumschristen-Baptisten Kirgisistans, das Gefühl, sich in der Stille vor einem Sturm zu befinden. Angesichts der Widerstände hatte das kirgisische Parlament im vergangenen Frühling die Verabschiedung seines sehr rigiden Religionsgesetzes vertagt. Das soll nun nach Wiederaufnahme der parlamentarischen Arbeit am 1. September nachgeholt werden. Neben sehr strengen Bestimmungen hinsichtlich des Immobilienbesitzes und der Fortbildung von Gläubigen sieht das Gesetz eine Registrierung nur von Gemeinden mit mehr als 200 Gliedern vor. Das würde die Zulassung neugegründeter Gemeinden unmöglich machen.

 

Pastor Schumilin, der russischer Nationalität ist, könnte es leichter haben. Obwohl er 1959 in der Stadt Kant/Kirgisistan auf die Welt kam, verbrachte er 17 Jahre in der russischen Hauptstadt. In Moskau studierte er und brachte es in einem technischen Fach zum Doktoranden. Doch 1988 fand er ausgerechnet an seinem Geburtsort zum christlichen Glauben. Er wurde Pastor und entschied sich 1993, in die alte Heimat zurückzukehren. „Der Herr hatte mich gerufen,“ erzählte der ledige, weißhaarige Pastor bei einem Gespräch in Bad Blankenburg/Thür. Anfang August. „Ich hatte keine andere Wahl.“ Durch Fernstudium setzte er seine theologische Ausbildung in St. Petersburg und an der Universität von Südafrika in Pretoria fort. Von ihr erhielt er 2002 den theologischen Magister. Seit 2003 ist er Unionsvorsitzender der kirgisischen Baptisten.

 

Der Pastor berichtete, man habe den starken Eindruck, die mittelasiatischen, ehemals sowjetischen Republiken hätten sich hinter verschlossenen Türen über eine gemeinsame Religionspolitik verständigt. Gemäß dieser Absprachen haben die beiden größten Religionsgemeinschaften das Volk unter sich aufgeteilt: Das orthodoxe Moskauer Patriarch sei für alle „Europäer“, der Islam für alle „Asiaten“, zuständig. Da wirbeln die multiethnischen Gemeinschaften der Protestanten die „Zuständigkeiten“ gehörig durcheinander. Bereits 20% der im Lande verbliebenen Baptisten sind Kirgisen; es bestehen sogar ausschließlich kirgisische Gemeinden. Sie werden es in den kommenden Jahren wohl besonders schwer haben. Da die 19.000 einheimischen Bürger koreanischer Herkunft weder als Europäer noch als Zentralasiaten einzustufen sind, gehören sie zu den ethnischen Minderheiten, die am ehesten eine religiöse Sonderstellung begründen könnten. Schumilin meint, die Lage der Protestanten in Usbekistan sei bisher die schwierigste gewesen.

 

Der staatliche Druck hat im November 2006 zur Bildung einer Evangelischen Allianz geführt. Aus ihr ging im Juli 2008 eine „Assoziation der evangelischen Kirchen Kirgisistans“ hervor. Sie wurde nötig u.a. deswegen, weil die knapp mehr als 200 kirgisischen Lutheraner den Eindruck hatten, das Außenamt der EKD in Hannover würde einer Zusammenarbeit mit der als konservativ geltenden Allianz ablehnend gegenüberstehen. Obwohl die Assoziation keine juristische Zulassung genießt, sieht sie ihre Existenzberechtigung darin, ein gemeinsames Auftreten der protestantischen Denominationen zu ermöglichen. Alexander Schumilin, der Vorsitzender der Allianz war und nun Vorsitzender der Assoziation ist, betonte, daß es sich hierbei um keine theologische Einigungsbewegung handele. Er versicherte: „Wir führen keine gemeinsamen Gottesdienste durch und mischen uns nicht in die Glaubenslehre anderer Kirchen ein. Wir sind eher eine Art Runder Tisch, der sich über eine einheitliche Vorgehensweise gegenüber dem Staat verständigt.“ Angesichts der Überzeugungen der baptistischen Diaspora aus Kirgisistan in Deutschland, sei ein engeres Zusammengehen nicht ratsam.

 

Doch im Zwiegespräch mit anderen Kirchen im In- und Ausland ist Pastor Schumilin versiert, denn er ist ebenfalls Vorsitzender des überkonfessionellen „Zentralasiatischen Koordinierungsrats“ (ZAKS). Dazu sagte er: „Wir haben enge Beziehungen zu den Kirchen in den anderen zentralasiatischen Staaten. Wir versammeln uns mehrmals jährlich und sprechen uns ab bezüglich Evangelisationen und Gebetstreffen, bezüglich gemeinsamer Frauen- und Jugendkonferenzen.“ Im April 2008 ist der Pastor aus der kirgisischen Hauptstadt Bischkek fristgemäß als Präsident der lose strukturierten „Euro-Asiastischen Föderation der Unionen der Evangeliumschristen-Baptisten in den GUS-Staaten“ ausgeschieden.

 

Der Generalsekretär betonte, Sorgenbekundungen von Gruppierungen, Gemeinden und Kirchen wären in den nächsten Tagen höchst willkommen. Für die Glaubensfreiheit plädierende Briefe sollten entweder an die kirgisische Botschaft im eigenen Lande oder an die Botschaft des eigenen Staates in Bischkek geschickt werden. Das haben die deutschen Baptisten aus Kirgisistan bereits getan – ihnen ist das dünnbesiedelte Land im zentralasiatischen Hochland wohl am ehesten noch von Interesse.

 

Eine Wunde in der baptistischen Familie bleibt die Loslösung der baptistischen Unionen von Kirgisistan und Kasachstan vom Baptistischen Weltbund (BWA) und der in Prag ansässigen Europäischen Baptistischen Föderation (EBF) von 2006. Den Austritt führt Schumilin auf die Haltung westlicher Unionen zur Frage der Homosexualität, der Unfehlbarkeit der Bibel, der Führungsrolle von Frauen und der charismatischen Gaben zurück. Nach seiner Auffassung wurde das theologische Gespräch seitens der EBF vorzeitig abgebrochen. „Unser Austritt aus BWA und EBF war keine schnelle, unerwartete Entscheidung. Doch wir bleiben offen für ein Gespräch über das, was uns bewegt. Wir möchten unsere Haltung weiter erläutern.“ Auf jeden Fall bleiben die Kontakte der Unionen dieser beiden Staaten zur EBF und zu seiner Prager Bildungsstätte, der „International Baptist Theological Seminary“ (IBTS), stark. Schumilin z.B. hat die Absicht, bei der IBTS zu promovieren.

 

Der kirgisische Generalsekretär beschrieb die Beziehungen seiner Union zur US-amerikanischen „Southern Baptist Convention“ als „nicht eng“ – nur ein einziger Missionar befasse sich ständig mit Kirgisistan. Doch Schumilin bedauert es, daß seine Kirche an der SBC-Konferenz in Lemgo/Westfalen im vergangenen April nicht teilnehmen konnte. Ein Besuch von Morris Chapman (Nashville), dem Präsidenten des Vorstandes der SBC, in Kirgisistan steht an. Im Jahre 2004 war die SBC, die größte protestantische Kirche der USA, ebenfalls aus der BWA ausgetreten.

 

Doch eines der Hauptprobleme seiner Union – die Auswanderung - hat wenig mit der Kirchenpolitik zu tun. Der Generalsekretär gibt an, seine Kirche sei seit 1987 von 13.000 auf 3.000 Mitglieder zusammengeschrumpft. Einst bestand die Bevölkerung zu 45% aus Menschen russischer Nationalität – heute sind es nur noch 10%. Neben einer schwachen Konjunktur sieht er in der Nationalitätenpolitik einen Hauptgrund für die Ausreisewelle. Obwohl nur 66% der Landesbevölkerung von 5,08 Millionen kirgisischer Nationalität seien, werde die Nutzung der kirgisischen Sprache zunehmend forciert.

 

Dr. William Yoder

Abteilung für kirchliche Außenbeziehungen der RUECB

Moskau, den 19. August 2008

 

Eine Veröffentlichung der Abteilung für kirchliche Außenbeziehungen bei der Russischen Union der Evangeliumschristen-Baptisten. Sie will informieren und erhebt nicht den Anspruch, eine einheitliche, offizielle Position der RUECB-Leitung zu vertreten. Zur Veröffentlichung freigegeben. Meldung Nr. 08-38, 929 Wörter.