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Baptisten sind in Rußland eine traditionelle Religion

Ein Gespräch mit dem Unternehmer Alexander Semtschenko

 

M o s k a u - Durch die vielen Jahre, „die Protestanten verfolgt und unterdrückt worden sind, haben wir uns das Recht verdient, als eine traditionelle, russische Kirche zu gelten.“ Diese Auffassung vertrat der baptistische Unternehmer und Mäzen Alexander Semtschenko (Moskau) in einem Gespräch mit kirchlichen Mitarbeitern in Moskau am 15. August. Semtschenko, ebenfalls Mitglied im Auftrage der „Russischen Union der Evangeliumschristen-Baptisten“ im „Beratungsrat für die Zusammenarbeit mit Religiösen Organisationen am Sitz des Präsidenten der Russischen Förderation“, fügte hinzu, daß die Baptisten in ihren 140 Jahren auf russischem Boden einen angestammten Platz in der Gesellschaft gewonnen hätten. „Unsere Verfassung schreibt vor, daß Rußland ein weltlicher Staat ist und garantiert jedem Bürger Glaubensfreiheit.“ Doch die religiöse Gesetzgebung von 1997 hatte vorgeschrieben, daß nur „traditionelle“ religiöse Gemeinschaften in Rußland geduldet werden.

 

Hintergrund des Gesprächs war ein Urteil des Straßburger EU-Gerichts für Menschenrechte Ende Juli zugunsten der Baptistengemeinde in Tschechow unweit von Moskau. Nachdem der Gemeinde ihr Bethaus 2001 abgebrannt worden war, wurde ihr verboten, sich sonst öffentlich unter freiem Himmel zu versammeln. Das Gericht belegte die russische Regierung mit einer Strafe von 6.000 Euro.

 

In einem weiteren Fall hatte sich Wladimir Kalinin, Baptistenpastor im Dorf Kaspilja/ Gebiet Smolensk und hochverdienter, ehemaliger Armeeoffizier mit einem offenen Brief an Präsident Wladimir Putin gewandt. Menschen, die wiederholt diese Gemeinde besucht hatten, wurde gedroht, die Kehle durchzuschneiden. Das Abfackeln des Gemeindehauses war wiederholt in Aussicht gestellt worden.

 

Semtschenko bedauerte zutiefst, daß die Gemeinde Tschechow erst bei einer ausländischen Instanz zu ihrem Recht kam. „Aber es war kein Urteil gegen Rußland.“ Es sei vielmehr ein Spruch „gegen unwissende Staatsbeamten, die sich in religiösen Belangen willkürlich verhalten. Doch die Mehrheit der Staatsbeamten handelt gemäß dem russischen Gesetz und nicht nach eigenem Gutdünken“. Es mache Sinn, sich an russische Staatsinstanzen zu wenden. Die groben Ausfälle führt er auf neugläubige, orthodoxe Laie ohne Kenntnisse der historischen Zusammenhänge zurück. In ihrem Übereifer gehen sie über die Anweisungen ihrer geistlichen Erziehern hinaus. „Im allgemeinen ist das Verhältnis unserer Kirche zur Orthodoxie gut.“

 

Der Unternehmer tritt entschieden für den Ausbruch aus dem herkömmlichen Ghettodasein und ein offenes Zugehen der protestantischen Minderheit auf die Gesellschaft ein. Der offene Brief aus Kaspilja sei ein Beleg für die werdende, russische Zivilgesellschaft. Er schließt sein Gespräch mit den Sätzen: „Gott ruft uns alle auf, unserem Lande zu dienen. Es ist unmöglich, ein Bürger des himmlischen Reichs zu sein ohne gleichzeitig der irdischen Heimat ein guter Erdenbürger zu sein.“

 

Alexander Semtschenko ist auch Herausgeber der Moskauer Wochenzeitung „Protestant“, einer der offiziellen Zeitungen der RUECB. Seit mehr als 20 Jahren arbeitet er eng mit der Führung der Russischen Union zusammen.

 

Dr. William Yoder

Abteilung für kirchliche Außenbeziehungen der RUECB

Moskau, den 16. August 2007

 

Eine Presseerklärung der Russischen Union der Evangeliumschristen-Baptisten. Zur Veröffentlichung freigegeben. Meldung Nr. 07-27, 425 Wörter

 

Anmerkung im März 2021: Alexander Semtschenko wurde Bischof bei den Evangeliumschristen der "WSECh" in 2008