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Duldung aber keine Religionsfreiheit

Aussprache über das Religionsgesetz in der russischen Duma

 

M o s k a u – Bei einer Aussprache in der russischen Duma zum 10. Jahrestag des „Gesetzes über die Gewissensfreiheit“ am 15. Juni gingen Redner mit dem umstrittenen Gesetz ins Gericht. Obwohl sich ein Redner für die völlige Verschmelzung von Orthodoxie und Staat stark machte, plädierte Sergei Rjachowski, Bischof der charismatischen „Vereinigten Russischen Union der Christen Evangelischen Glaubens“, für die Hinzufügung des Wortes „Protestant“ in das Gesetzespräambel. Im Nachgespräch verdeutlichte der ebenfalls anwesende Pastor Witali Wlasenko vom Russischen Bund der Evangeliumschristen-Baptisten den Hintergrund: „Im Präambel heißt es nur die Russische Orthodoxie Kirche ‚und andere christliche Organisationen’. Das sagt vielen Lokalfürsten nichts, denn ihnen ist nicht bekannt, daß auch die Protestanten als Christen gelten.“

 

Bei seinem Grundsatzreferat in der Duma berichtete Andrei Sibinzov vom Büro der Russischen Föderation für Religiöse Angelegenheiten von einer fortlaufenden Unterhöhlung dieser Gesetzgebung und plädierte für eine Durchsetzung des Gebotes staatlicher Neutralität in Glaubensfragen. Die ständige politische Bevorzugung des Moskauer Patriarchats der Orthodoxie mache dieses Gebot zunichte. Nicht zuletzt werde in den öffentlichen Schulen der islamisch-reagierten Provinzen (Tatarstan z.B.) muslimisches Dogma unumwunden propagiert.

 

Besonders umstritten in diesem Gesetz zur Gewissensfreiheit aus dem Jahr 1997 war die Bestimmung, daß nur solche Glaubensgemeinschaften staatlich zuzulassen sind, die seit 15 Jahren (d.h. 1982) in Rußland existieren. Diese Bestimmung wird – so Sibinzov – u.a. von protestantischen Gruppierungen ständig umgangen. Wem es einerseits gelingt, die staatliche Zulassung für ein zentrales Büro zu erzielen, kann problemlos Hausgemein­­den in den Provinzen registrieren lassen. Andererseits begrüßen das Moskauer Patriarchat sowie die Römisch-Katholische Kirche diese Bestimmungsfrist, da sie sich auf diese Weise Schutz vor der Entstehung von Splittergruppen in den eigenen Reihen erhoffen.

 

Andrei Sibinzov plädierte ferner für eine deutliche Trennung zwischen Kirche und Wirtschaft in der russischen Gesetzgebung. Immer wieder drängen wirtschaftliche Unternehmen – z.B. der Gold- und Silberhandel – unter das Dach des Moskauer Patriarchats, da diese Kirche als einzige Steuerfreiheit genießt. Im Jahr 2008 soll sie Tausende von Hektarn Ackerland zurückerstattet bekommen.

 

Am Abend des 15. Juni besuchte Wlasenko, der als Direkter des Büros der Baptisten für kirchliche Außenbeziehungen fungiert, den Empfang des Patriarchen Alexei II. zum 17. Jahrestag seiner Inthronisation. Obwohl auch russische Lutheraner eingeladen worden waren, war der Baptistenpastor wohl der einzige russische Protestant unter den 500 geladenen Gästen. Nach seinen Berichten war die Elite aus Staat und Wirtschaft zugegen; für ihn war die gewollte Verschmelzung der Orthodoxie mit Staat und Wirtschaft schon visuell nicht zu übersehen.

 

Pastor Wlasenko ist nicht optimistisch, daß das Gesetz von 1997 geändert wird „Dieses Gesetz mag durchlöchert sein, aber es ist von Bestand.  Wir haben keine wirkliche Glaubensfreiheit, aber das ist den meisten mächtigen Menschen in unserem Lande nicht wichtig.“ Wahrscheinlich könne nur weiterhin auf eine zögerliche Duldung der Protestanten durch die gesellschaftliche Mehrheit gehofft werden.

 

Die Russische Union der Evangeliumschristen-Baptisten, die größte Freikirche Rußlands, vertritt 78.000 getaufte Christen in 1.930 Ortsgemeinden und Gruppen. Insgesamt bilden Protestanten weniger als 1% der russischen Gesellschaft.

 

Dr. William Yoder

Abteilung für kirchliche Außenbeziehungen der RUECB

Moskau, den 18. Juni 2007

 

Eine Presseerklärung der Russischen Union der Evangeliumschristen-Baptisten. Zur Veröffentlichung freigegeben. Meldung Nr. 07-18, 463 Wörter.