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In Tschernjachowsk wurde ein neues Gemendehaus gefunden

Kleinod in Tschernjachows/Insterburg geortet

 

Seit Wochen läuft die Aktion zu Schaffung eines neuen Domizils für die Evangelisch-Lutherische Gemeinde zu Tschernjachowsk (Insterburg/Ostpreußen) auf vollen Touren. Im Juni 2004 ging das neue Objekt in der UlizaTeatralnaja 13 (einst Gartenstr.) – Eingang Uliza Sadowa (Friedrichstraße) – in Gemeindeeigentum über. Noch vor Wintereinbruch soll ein neues Dach Gemäuer und Fußboden vor dem weiteren Verfall schützen.

 

Noch lebt die 1993 neugegründete Kirchengemeinde dicht gedrängt in einem Wohnhaus in der Uliza Karla Marksa 8. Doch für die dortigen 72 m2 sind offiziell nur 20 Besucher zugelassen. Inzwischen verfügt die Gemeinde jedoch über 45 Mitglieder. Erst in ihrer neuen Heimat wird die stetig wachsende Gemeinde sich nach eigenem Belieben zu jeder Tageszeit versammeln dürfen. Anvisiert auf dem Fußboden von 280 m2 sind Sitzplätze für 300 Personen; mehr als genug Platz für alle Zentralveranstaltungen der Gemeinderayon Tschernjachowsk. Zu dieser Rayon gehören acht der 43 lutherischen Ortsgemeinden in Nordostpreußen. Geplant ist ferner eine Diakoniestation in diesen großzügigen Räumlichkeiten.               

 

Lange grübelten Gemeinde und Propstei über den Erwerb einer Kapelle auf einem Krankenhausgelände am östlichen Stadtrand. Doch zum Schluß wurde beschlossen, das Kirchlein sei zu klein, teuer und abgelegen. Der neue Standort verfügt über keinen dieser Nachteile.

 

Völlig unverhofft war man auf diesen Kleinod gestoßen. Pastorin Maria Goloschapowa teilt mit, erst bei der Besichtigung des Objekts war Gemeindevertretern aufgefallen, daß es sich um ehemaligen Kirchenbesitz handelte. Auf der Hofseite lugt die ursprüngliche Identität des Hauses aus dem bröckelnden Putz hervor. Daraus ist zu entnehmen, daß es sich um ein ehemaliges Gemeindehaus des „Ostpreußischen Gebets­vereins“ handelt. Gegründet wurde dieser Zweig der pietistischen Gemeinschaftsbewe­gung durch Christoph Kukat (1844-1914). Bekannt waren die strengen, deutsch-litauischen „Kukatianer“ u.a. dafür, daß sie das knieende Gebet vorschrieben und den Chorgesang im Gottesdienst ablehnten.

 

Pastorin Goloschapowa versichert: „Uns ist die Tradition dieses Hauses wichtig. Wer kann uns mehr über dessen Geschichte erzählen? Bereits in Slawsk (Heinrichswalde) ist ein Haus der Gemeinschaftsbewegung angeeignet und zu noch nie dagewesener Blüte erweckt worden. Heute leistet es der dortigen Gemeinde als Heimat hervorragende Dienste.

 

Doch noch ist viel zu bewerkstelligen, ehe das Insterburger Haus in alter Pracht wiedererscheint. Der Innenraum gleicht einer Ruine; ein tiefer und breiter, von Schatzsuchern gebuddelter Graben durchzieht den Fußboden. Daß dieses Haus zu Sowjetzeiten als das Kino „Sputnik“ und danach als Handwerkerschuppen fungierte, ist angesichts der Verwüstungen im Innern kaum vorzustellen.

 

Auch die finanziellen Herausforderungen scheinen kaum zu bewältigen. Der Erwerb des Hauses hat 30.000 Euro verschlungen. Man rechnet mit sechsstelligen Sanierungskosten und hofft dennoch auf eine Einweihung in zwei Jahren.

 

Wer mehr wissen möchte, oder selbst etwas zum neuen Haus weiß, darf sich gerne an das Insterburger Pastorenehepaar Ruslan Semenjukow und Maria Goloschapowa oder die Propstei in Königsberg richten. Selbstverständlich sind auch Spenden herzlich willkommen.

 

Dr. William Yoder

Kaliningrad, den 16. Oktober 2004

 

Verfaßt für den Nachrichtendienst "Idea"; 446 Wörter

 

Nachtrag von Juni 2021: Unerwarteterweise ist Maria Goloschapowa gemeinsam mit ihrer Familie 2014 nach Deutschland ausgewandert. Dieses geplante, nie fertig sanierte Gemeindehaus wurde 2018 von der Propstei in Kaliningrad - übrigens gegen den Willen der Gemeinde vor Ort - an eine Privatperson verkauft.