Für Geschenke ist die Diakonie zuständig
Mit einer Mitgliedervollversammlung in der evangelisch-lutherischen Auferstehungskirche in Kaliningrad/Königsberg am 16. März betonte der Förderverein "Rat und Tat" (Sowjet i Djelo) seine Bereitschaft, möglichst umgehend mit konkreten Projekten zu beginnen. Da sich Geschenkprogramme totlaufen sobald das Wohlwollen der Spender erlahmt und sich auf diese Weise knappes Kapital nie vermehren lässt, setzt diese am 17. November 2001 gegründete und am 3. Januar staatlich registrierte Initiative eindeutig auf die Hilfe zur Selbsthilfe.
"Wir müssen wegkommen vom Geschenkeverteilen," meinte Wilhelm Ehlerding (Bad Emstal), ein deutscher Berater des Vereins, bei der Vollversammlung. "Wir wollen denen helfen, die selbst etwas leisten können." Gutes Geld solle "von unter der Matratze hervorgeholt werden" und zu produktiven Zwecken eingesetzt werden. Dementsprechend will der Verein Anleihen nur solchen Kleinunternehmern anbieten, die monatlich für ein ganzes Jahr einen eigenen Sparanteil auf ein Konto eingezahlt haben. Hierzu hieß es: "Wer so arm ist, dass er nichts ansparen kann, dem kann von "Rat und Tat" nicht geholfen werden. Wer nicht ansparen kann, braucht Geschenke." Für Geschenke sei jedoch die Diakonie zuständig, "da müssen wir klar unterscheiden". Wer eine Anleihe nicht fristgemäß zurückzahlt, werde ferner mit dem Gesetz zu tun bekommen. "Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass die, die ordentlich zurückzahlen, die Dummen sind."
Doch das Umdenken und ein neuer moralischer Durchbruch seien wichtiger als zusätzliches Kapital, meinte der emeritierte deutsche Pastor Alfred Scherlies. Auch bei vielen Christen müsse sich erst ein neues Verständnis von Eigentum, Wahrheit und Arbeitsethik durchsetzen. "Wir müssen damit aufhören, dass jeder nur an sich denkt."
Überhaupt möchte "Rat und Tat" seinen Schwerpunkt auf Schulung, Beratung und Vermittlung in den Bereichen landwirtschaftliche Praxis, Marketing und Betriebsführung setzen. Allein effektivere, landwirtschaftliche Produktionstechniken würden zu erheblichen Gewinnsteigerungen führen. "Und wir wollen alle ein Mordsgeld verdienen!" versicherte Wilhelm Ehlerding. Beispielsweise führt der Besitzer einer Molkerei die fehlende Auslastung seines Betriebes auf falsche Fütterung und schlechte Tierhaltung zurück. "Das kann man ändern," meinte der Referent. Während westeuropäische Kühe es häufig auf 30 Liter Milch pro Tag bringen, liegt der Durchschnitt im Kaliningrader Gebiet bei 10 Litern.
Die Initiative setzt ferner auf eine verbesserte Abstimmung mit Lieferanten und Abnehmern. Mit Lieferanten sollen u.a. günstige Kaufpreise ausgehandelt werden. Eine Datenbank, die auf den Fragebögen basiert, die alle Mitglieder auszufüllen haben, soll zu einer Vernetzung von Mitgliedern, Lieferanten und Abnehmern führen. Eine Zusammenarbeit mit landwirtschaftlichen Betrieben in Deutschland wird anvisiert, Geräte sollen auf Kreditbasis angeschafft werden. Hierzu meinte Ehlerding: "Wir können vermitteln, aber Sie müssen zahlen. Wir können keine Geschenke verteilen." Abschließend meinte er: "Wenn wir zusammenhalten, kann es eine tolle Gemeinschaft werden."
Bereits im kommenden Sommer beginnen die ersten Seminare. Das erste Drei-Tages-Seminar fängt am 10. Juli in Gusew/Gumbinnen an; ab dem 13. Juli wird es in Kaliningrad wiederholt.
Erster Vorsitzender des Fördervereins ist der in Kaliningrad wohnende, pensionierte Computerfachmann Werner Hamann;
Geschäftsführer ist Sergei Wislow, Zollbeauftragter der Kaliningrader Propstei. Die Anschrift lautet: Förderverein Rat und Tat, Prospekt Mira 101, 236010 Kaliningrad.
Dr. William Yoder
Kaliningrad, den 18. März 2002
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