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Wie Gemeinden es in die Öffentlichkeit schaffen

Treffen von Gemeindebriefredakteuren in der EFG Berlin-Reinickendorf

 

Vorbemerkungen

Ein Ressort- oder Redaktionsleiter hat kaum Zeit. Er bewältigt an einem Tag eine unglaubliche Informationsmenge. Im Idealfall steht er morgens mit Radio- oder TV-Infosendungen auf. Er liest 5-10 Zeitungen. Er wird überschwemmt mit Faxen und Briefen: Rotes Kreuz, Blutspenden, Feuerwehrfest, Kirchen, Theater, Bundeswehr, Senatoren - jeder hält das, was er macht, für so wichtig, dass es in Zeitung/TV/Hörfunk muss. Das bedeutet: Jeden Tag ein halben Meter Stapel Papier lesen. Anrufe bei Polizei, Parteien, Verbänden, Infos aus Konferenz, Redakteure bieten Ideen und Themen an. Ein guter, leitender Politikredakteur wühlt sich in einer Viertelstunde durch 1.000 Agenturseiten - sein Job ist es, dem Chefredakteur zu sagen: Die wichtigste Meldung des Tages ist diese hier.

 

Warum beschreibe ich das? Es geht darum, unseren Adressaten zu verstehen, damit wir uns auf ihn einstellen können: An einem Redakteur rauschen 1.000 Meldungen vorbei. Er liest sie alle. Er kann das aber nur bewältigen, wenn er selektiv liest. Das heißt: 90% der Papierflut fallen schon beim ersten Durchschauen durchs Netz - ab ins Altpapier. Die Frage ist also: Wie müssen wir schreiben, damit wir nicht schon beim ersten Hinsehen durchs Raster fallen?

 

Was bedeutet das für unsere gemeindlichen Angebote?

Wenn wir unsere Super-Botschaft trotzdem loswerden wollen, müssen wir uns eine "Verkaufe" ausdenken, wie die PR-Profis. Wer Menschen auf Gott, Jesus, Gemeinde aufmerksam machen will, denkt sich ein attraktives Produkt aus: Straßenfeste, Musik, Events, Klettergarten. Die Neugierde des Redakteurs und der Öffentlichkeit wecken wir nicht durch Kaffetrinken für Senioren und Bibelarbeit. Bevor wir überhaupt schreiben, brauchen wir Angebote, die wirklich attraktiv, zeitgemäß, pfiffig und neu sind. Um es marketing-mäßig zu formulieren: Wir müssen als Gemeinden ein Gespür für Marktlücken entwickeln, also genau da mit Angeboten reinstoßen, wo ein spürbarer Nachfrageüberhang ist. Da, wo Bedürfnisse und Sehnsüchte der Menschen durch staatliche und andere Angebote nicht befriedigt werden, da haben unsere Gemeinden ihre Chance.

 

Produktverkaufe - wie mache ich das handwerklich?

Zunächst brauchen wir einen Presseverteiler: Wer ist die Zielgruppe für unsere Aktion, welche Medien kommen dafür in Frage? In der Regel werden das Anzeigen- und Lokalblätter in unseren Bezirken sein. Bei mir sind das ungefähr fünf bis sechs Blätter. Das Ganze hat mit Arbeit zu tun: Wichtig ist, dass wir nicht ein Sammelfax rausschicken an die "Sehr geehrten Damen und Herren von Presse, Funk und Fernsehen". Wichtig ist die professionelle, individuelle Adressierung. Ich muss mir also bei meinen Objekten die Arbeit machen, konkret rauszusuchen: Wer ist zuständig? Man muß die korrekte!!! Schreibweise des Namens, Anschrift, Fax, und Telefonnummer archivieren. Ganz wichtig: Einmal im Jahr checken, ob Personen und Strukturen noch genauso sind. Ich bekomme immer wieder Post an Ehemalige, von denen ich noch nie gehört habe. Diese Post fliegt ungelesen sofort in den Orkus.

 

Unsere Presserklärung: Der Redakteur ist gierig auf Neues, er nimmt selektiv wahr, er hat keine Zeit. Das bedeutet für unsere Pressetexte: weniger ist mehr. Ein Redakteur, der einen Briefumschlag öffnet und neben dem Anschreiben acht unübersichtliche Anlagen herausholt, ist geneigt, alles wegzuwerfen. Deshalb muss es unser vorrangigstes Ziel sein, kurz und knapp, zugleich pfiffig und flott geschrieben unser Anliegen auf den Punkt zu bringen. Alles möglichst auf eine Seite. Wir brauchen eine knackige Überschrift, die Appetit macht. Der Redakteur muss auf einen Blick erkennen, dass sich die Sache lohnt.

 

Die W-Fragen: Wir müssen das Einmaleins der Pressemeldung unbedingt berücksichtigen. Die W-Fragen WAS, WANN, WO müssen im Text klar und eindeutig beantwortet werden. Bitte sagt nicht: "Alter Hut, das ist doch selbstverständlich." Trotzdem wird es häufig falsch gemacht. Wenn hier Fehler oder Ungereimtheiten auftreten, fliegt das beste Veranstaltungsangebot sofort in den Mülleimer.

 

Zeitpunkt des Kontaktes: Ideal für normale Veranstaltungsankündigungen ist aus meiner Sicht der Zeitpunkt rund 14 Tage vorher: Das ist eine Terminierung, die der Redakteur bereits ungefähr im Blick hat. Wenn ich ihn Monate zuvor anschreibe, kann die beste Geschichte im großen Papierwust verloren gehen.

 

Direkter Kontakt mit Redakteur: Auch hier gilt: weniger ist mehr. Es ist nun mal so, die meisten Redakteure sind im Stress. Sie haben Ihre Zeitung oder ihre Sendung von heute auf dem Zettel. Und wenn da einer anruft wegen einer tollen Geschichte, die erst im Juni stattfindet, schaltet er gleich auf Durchzug. Ich will nichts gegen Kontaktaufnahme sagen: Im Gegenteil, gerade bei kleinen Bezirks- oder Lokalzeitungen ist es auch für den Redakteur sehr wertvoll, wenn er weiß, da gibt es eine flotte Gemeinde, die machen gute Aktionen. Vielleicht eine Faustregel zum Zeitpunkt: Gute Zeiten sind nach meiner Erfahrung 10-11, 14-15 Uhr. Ungünstiger ist der späte Nachmittag und frühe Abend: 16.30-18.30.

 

Ein wichtiges Detail: Unter die Presseerklärung immer eine klar identifizierbare Ansprechperson mit Telefonnummer, E-Mail, Handy. Das hilft dem Redakteur mehr als ein Anruf zur ungeeigneten Zeit. Der Vorteil für ihn ist, er kann selbst bestimmen, ob und wann er zurückruft.

 

Outfit der Presserklärung: Im Zeitalter des perfekten Stylings haben wir tolle technische Möglichkeiten. Dennoch meine Warnung: Weniger ist auch hier oft mehr. Unser Ziel muss es bleiben, dass der Adressat auf dem schnellsten Wege zum Wesentlichen durchdringt. Die klare Info darf nicht durch überladene und megafarbige Layouts und Logos überlagert werden. Das wirkt unprofessionell.

 

Pfiffige Ideen sind auch beim Layout gut. Aber die Struktur muss klar erkennbar bleiben - und zwar auf den ersten Blick. Denn der entscheidet, ob das Ding zum Altpapier kommt. Ich bin für frisches, flottes Styling. Es geht um den allerersten Eindruck, den ein Adressat von unserer Gemeinde bekommt. Wenn ich als Journalist so ein Schreiben in die Hand bekomme, dann ist meine Wahrnehmung schon getrübt, bevor ich den Text gelesen habe.

 

Fotos: Da die visuelle Wahrnehmung vor allem bei Jüngeren immer wichtiger wird, ist dieses Thema extrem bedeutsam. Wer zu einer Einladung ein Farbfoto beilegt, kann mehr erreichen als durch den besten Einladungstext. Aber: Ein "Eye-Catcher" sollte es schon sein: Da denkt ein Redakteur sofort an eine farbige "Seiten-Optik". Beim Kindermusical z.B. Großaufnahme von geschminkten Kindern in bunten Kostümen, voll in Action. Dem kann sich - ähnlich wie bei "niedlichen" Tierfotos - kaum ein Redakteur und schon gar kein Leser enziehen. Genau so etwas meine ich mit "Verkaufe". Aber bitte, bitte keine Kaffee trinkenden Omis von hinten zeigen.

 

Christoph Irion und William Yoder

Berlin, den 13. März 2000

 

Verfaßt für den „Aufbruch“. das Gemeindeblatt der Ev.-Freikirchlichen Gemeinde Berlin-Schöneberg, Hauptstr., 1.004 Wörter

 

Anmerkung von April 2024: Christoph Irion (geb. 1964) war im Jahre 2000 leitender Politik-Redakteur bei der „Berliner Morgenpost“. Seit 2014 ist er Geschäftsführer der evangelikalen „Christlichen Medieninitative pro“ mit Sitz in Wetzlar.