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Baptistenkapelle in Posen wiedereingeweiht

Eine Aktion der Nationen

 

In einem von Dankbarkeit und Stau­nen geprägten Gottesdienst beging die "Zweite Baptistengemeinde Poznan" (Posen) am 19. Oktober 1997 die feierli­che Wiedereinweihung ihres Gotteshau­ses. Obwohl bis 1963 die engen unteren Räumlichkeiten genutzt worden waren, hatte seit 1945 kein Gottes­dienst mehr im Hauptsaal stattgefunden. 1963 wurde die 1910 erbaute Kapelle endgültig enteignet.

 

Das Staunen war darauf zurückzuführen, daß noch vor sieben Monaten der desolate Zustand des Gebäudes und der Finanzen den Erwerb des Hauses unmöglich zu machen schienen. Ryszard Gutkowski, General­sekretär des polnischen Baptistenbundes, mußte in seiner Predigt einräumen: "Ich war ein Pessimist - aber Gott ist größer." "Es gibt noch Wunder," fügte Rainer Zincke aus der EFG Berlin-Kreuzberg hinzu. "Wir sitzen in einem." Rund 10 ehemalige Posener aus den Gemein­den Wittstock und Berlin-Tempelhof berichteten davon, sie seien kaum aus dem Staunen herausgekommen als in "Die Ge­meinde" die Wiedereinweihung angekün­digt worden war. Mit von der Partie war auch die Wittstockerin Lydia Schönberg. Sie ist 1931 in dieser Kapelle getauft worden. "Es ist keiner mehr da, den ich damals kann­te," stell­te sie fest. "Aber Du bist derselbe." "Daß ich das noch erle­be!" war der vorherrschende Gedanke unter den älteren Gästen aus Deutschland. Als Zeichen der Verbundenheit brachten die Wittstocker das Geld für die Erneuerung von zwei Saalfenstern und den Hinweis mit: "Wir sammeln weiter."

 

Um ein Haar wäre das Haus in der Straße Prezemyslowa 48a ein Fitnesscenter oder eine Discothek geworden; nur Tage vor Ablauf der endgültigen Kauffrist am 31.3. kamen die erforderlichen 67.000 DM zusammen. Am 19.3. hatte Bruder Zincke die Posener Gemeinde erstmalig besucht. Obwohl er noch am ersten Abend seines Autos verlustig wurde, ließ er sich nicht beirren. Innerhalb von drei Tagen gelang es ihm dann in Berlin, private Darlehen von 23.000 DM zu sammeln. Das machte den Weg für ein Missionswerk aus Arizo­na/USA frei, einen noch größeren Dollarbetrag zu spenden.

 

Im Hinblick auf die zahllosen Scherereien der vergangenen Monate folgerte Ehefrau Eta Zincke: "Da will jemand, daß hier etwas nicht weiter­geht. Gott will so viel daraus machen, daß es dem Feind wert war, zu stören." Für optimistische Erwartungen bietet diese charismatische Gemeinde immerhin beste Voraussetzungen: 1995 begann sie mit 22 Gliedern in einem Kulturhaus. Heute hat sie 51 Glieder und einen Gottesdienstbesuch von 60-80. Pastor Piotr Ozana ist einer von nur zwei Gliedern, die in einer protestantischen Familie aufgewachsen sind; kaum ein Mitglied ist älter als 40 Jahre.

 

Das Internet machte es möglich, innerhalb von Wochen ein weltweites Netz interessierter Christen zu flechten. Zu diesem Zweck verstreute Pastor Ozana 1.600 Briefe durch die Cyberwelt. "Ohne Internet hätten wir diese Kapelle nicht," versi­cherte Bruder Zincke.

 

Überhaupt scheint die "Zweite Gemeinde" eine Aktion der Nationen zu sein. Neben Geldern aus USA und Deutschland stammen Bodenfliesen aus England, der Altartisch und weiteres Mobiliar aus der aufgelösten Baptistengemeinde in Berlin-Adlershof. Der Lkw einer belgischen Gemeinde brachte die Bestuhlung von Herrenberg (Stuttgart) nach Posen.

 

Die Stadt Posen hat rund 500 Protestanten in fünf protestantische Gemeinden. Nur noch die Muttergemeinde (die "Erste Baptistengemeinde" in der Straße Grunwaldzka) und die lutherische Gemeinde verfügen ebenfalls über Kapellen.

 

William Yoder

Berlin, den 22. Oktober 1997

 

Verfaßt für das baptistische Zeitschrift „Die Gemeinde“ in Kassel, 480 Wörter