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Schwiegereltern eines bekannten kroatischen Baptisten sitzen in Bihac fest

"Wir sind besorgt aber dennoch entspannt"

 

Die Schwiegereltern von Boris Peterlin, Baptist und Direktor des "Christlichen Informationsdienstes" in Zagreb, befinden sich im Krankenhaus der umkämpften Enklave von Bihac.  Peterlin und dessen Ehefrau, Marina, trafen sich letztmalig vor dreiundeinhalb Jahren mit ihren Eltern, Dr. Ivan und Frau Vesna Livakovic, zusammen.  Dennoch ist eine telephonische Verbindung noch am 23. November zustandegekommen.

 

"In unseren Gesprächen," sagt Peterlin, "scheinen sie immer am meisten darüber besorgt zu sein, ob wir über sie besorgt sind.  Sie versichern immer, 'Nein, es ist längst nicht so schlimm wie Ihr meint.'  Wir wissen doch aus anderen Quellen, daß die Lage inzwischen äußerst kritisch ist."

 

Peterlin fährt fort: "Wir hatten früher eine grundlegende Wahl zu treffen: Uns nicht übermäßig Sorgen zu machen und Gott die Sache zu überlassen, da wir ohnehin mit unserem Bangen nicht helfen können, oder: Uns von einer Nachrichtensendung bis zur nächsten zu jagen in ständiger Angst davor, welche Kunde der kommenden Sendung zu entnehmen sein würde."

 

"Wir sind darum besorgt aber dennoch entspannt.  Wir haben eine Methode entwickelt, mit der wir gegen [die Angst] vorgehen: Wir nehmen alle Geburtstage wahr, wir organisieren Feten für die Kinder, wir möchten das Leben voll ausschöpfen.  Wir wollen dem Leben und der Güte, die wir erleben, huldigen.  Auf diese Weise, meinen wir, unterstützen wir [Marinas Eltern] am allermeisten.  Anders zu handeln würde bedeuten, daß wir unseren Freunden und Verwandten hier [in Kroatien] von keinerlei Nutzen wären."

 

Dr. und Frau Livakovic sind vor drei Jahren, nachdem ihre Wohnung beschädigt worden ist, in ein neun Quadratmeter großes Zimmer im Krankenhaus umgezogen.  In ihrem Wohnzimmer neben dem Röntgenraum hat Frau Livakovic, eine Architektin, einen Beratungsdienst für Kriegsopfer eingerichtet.  Das Leben im Krankenhaus macht es ihnen möglich, über die neuesten Entwicklungen in Bihac unterrichtet zu sein.  "Es ist die einzige Institution, die auf keinen Fall geschlossen werden darf," erklärt Peterlin.  Dr. Livakovic, ein Radiologe, befindet sich normalerweise im 24-stündigen Bereitschaftsdienst.

 

Der Schwiegersohn fügt hinzu: "Uns ist im Briefwechsel aufgefallen, daß sich ihr geistliches Leben intensiviert hat.  Das Erleben von Leid hat ihnen die Realität Gottes eröffnet."  Die Schwiegereltern sind schon immer nominelle Katholiken gewesen; keine Freikirche besteht in der Enklave von Bihac.

 

Hilferufe aus dem Krankenhaus am 23. November zählten Mehl, Reis, Gemüse, Kindernahrung und Zucker zu den dringendsten Versorgungslücken.  Als Antwort darauf schrieb Peterlin an ein Hilfswerk in den USA: "Wenn es irgendetwas gibt, daß Sie tun könnten, dann tun sie es bitte jetzt."  Das Krankenhaus von Bihac mit 700 Betten wird gegenwärtig von mindestens 1.100 Patienten belagert.

 

Dr. William Yoder

Berlin, den 25. November 1994

 

Verfaßt für den Nachrichtendienst „IDEA“, 405 Wörte.