· 

Evangelische Sammlung Berlin droht mit der Bildung einer Bekenntnissynode

Reinhold George: "Wir sind nur ein Aufstand der Sechzigjährigen"

 

Angesichts der zu erwartenden politischen Durchdringung der Herbstsynode erwägt die Evangelische Sammlung Berlin, ob sie "den ersten entscheidenden Schritt einer Bekenntnissynode vorbereiten muß". Dies kündigte Superintendent i.R. Reinhold George in einer erregt verlaufenen Veranstaltung in der Kapelle der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche am Freitag, 27. Mai, an. Da man "das auch mal in Zehlendorf durchgespielt" habe, brauchte der Leiterkreis "nur auf den Knopf zu drücken" und schon hätte man eine "Bekenntnissynode Zehlendorf". George fügte dennoch hinzu, noch sei das Maß nicht voll, noch brauche man keine bekennende Kirchenleitung. Zwar gebe es "Affinitäten zum Bekenntniskampf" im Dritten Reich, dennoch seien heute weder Polizei, Staat noch die weltliche Presse gegen die Evangelische Sammlung eingestellt. Aber weitere Schritte zur Schaffung einer Bekennenden Kirche wären - wie damals - der Aufbau einer neuen Pfarramtsausbildung sowie die Übernahme des Geldwesens. In Anbetracht der vermuteten Mehrheitsverhältnisse plädiert die "Sammlung" für eine Wiedereinführung von Ur- und Fraktionswahlen.

 

Der Schöneberger Superintendent Horst Gunter nannte die Unterredung der "Sammlung" mit der Kirchenleitung am 24. Mai ein "massiv hartes Gespräch", trotzdem hätte die Stellungnahme der Kirchenleitung zur Kontroverse zwischen den Superintendenten (Manfred) Karnetzki und (Heinz) Schladebach zu wenig gebracht. Unter Berufung auf Bischof Dibelius forderte George die Einhaltung der Barmer Erklärung und des Pfarrerdienstrechts, die dem Pfarrer öffentliche politische Parteinahme verböten. Für George handele es sich in dieser Kontroverse primär um eine "Diskrepanz der Lehraussagen: Mir sagt der Herr nicht, ob ich mit der Pistole schießen soll oder mit der Kanone. Der Herr Jesus sagt mir, daß jede Waffe Unsinn ist." Darum wende er sich dagegen, daß militärtechnische Überlegungen Offenbarungscharakter bekämen. Da man mit er Kirchenleitung in den theologischen Meinungen weithin einig sei, komme es nun darauf an, "auch mal ein hartes Entweder-Oder zu sagen". Im Nachgespräch räumte George ein, Schladebach habe mit der angedrohten Aufkündigung der Bruderschaft das erforderliche Maß an Vorsicht überschritten.

 

Die Strafanzeige des Konsistoriums wegen Urkundenfälschung im Zusammenhang mit einer Wahlempfehlung der "Sammlung" nannte George "ein gefundenes Fressen". In einem Brief vom 26. Mai habe die "Sammlung" energisch verlangt, daß diese Anzeige gegen Unbekannt sofort zurückgenommen wird. Im anderen Fall würde man sich selbst an die Staatsanwaltschaft wenden. Eine Schilderung der für November geplanten Luther-Open-air-Veranstaltung rief bei den Zuhörern erbitterte Unmutsäußerungen hervor. Über den vorgesehenen Verkauf und Umbau von Kirchen meinte George: "Wo ein Wille ist, ist auch der Weg", denn, "sonst werden sie zu Moscheen".

 

Superintendent i.R. George ließ durchblicken, ein sich verselbständigender Neuköllner Gemeindekirchenrat habe sich an ihn gewandt mit der Bitte um die Vermittlung eines neuen bekenntnisgebundenen Pastors. Einer solchen Bitte könne er aber leider nicht nachkommen, denn die notwendige Voraussetzung einer neuen Pfarrerausbildung sei noch nicht erfüllt. Trotz der wiederholten Behauptung, man habe immer noch die Masse des Kirchenvolkes für sich, schloß er mit der Klage: "Wir sind nur ein Aufstand der Sechzigjährigen."

 

William Yoder

Berlin, den 28. Mai 1983

 

Die Fassung ist erschienen im Evangelischen Pressedienst, Landesdienst Berlin, am 30. Mai 1983, 457 Wörter.

 

Anmerkung von Dezember 2021: Der Theologe Reinhold George lebte von 1913 bis 1997. Der Berliner Pfarrer Horst Gunter wurde 1935 geboren und verstarb erst 2019. Manfred Karnetzki lebte 1928-2008; Heinz Schladebach (geb. 1928) begab sich 1993 in den Ruhestand. Sein Todesjahr ist dem Verfasser nicht bekannt.