Synodalsenior Hajek: "Weil wir schwach sind, sind wir stark"
"Nicht obwohl, sondern weil wir schwach sind, sind wir stark." So äußerte sich Milan Hajek, Synodalsenior der Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder, in einem Seminar am Wochenende im Saal der Morgenländischen Frauenmission in Berlin-Lichterfelde. Er sprach in seiner Eigenschaft als Delegationsleiter einer offiziellen fünfköpfigen tschechoslowakischen Delegation, die vom 17. bis 22.Mai 1983 auf Einladung des Ökumenischen Rates Berlin erstmalig West-Berlin besuchte. Er fügte hinzu, gerade unter der säkularisierten Jugend sorge die kirchliche Machtlosigkeit für neue Anziehungskraft.
Da der Atheismus der Arbeiterbewegung als Konsequenz des kirchlichen Paternalismus entstanden sei, könne nach Ansicht Jaroslav Ondra, Professor an der Prager Comeniusfakultät, ein neuer Anfang "nur aus der Buße kommen". Ehe die tschechoslowakischen Kirchen imstande seien, anderen Ratschläge zu erteilen, müßten sie "die bittere Suppe der Sünden unserer Väter bis zum Ende auslöffeln". Hingegen könne der einzelne Christ etwa als Gewerkschaftler schon jetzt ein Mitspracherecht erwerben.
Alle Delegationsmitglieder bemühten sich darum, so Ondra, den "in geschichtlicher Hinsicht nicht unbegründeten Verdacht gegen Christen als Gegner der sozialistischen Gesellschaft" abzubauen. Sie seien bestrebt, alle zwischen Staat und Kirche auftretenden Probleme "mit dem Mittel des Gesprächs zu lösen". Man könne mit Genugtuung feststellen, daß "niemand bei uns verfolgt wird, weil er Christ ist". In diesem Zusammenhang meinte Prof. Ondra: "Wenn unsere Brüder meinen, etwas durch Interventionen von außen erzielen zu können, dann bewirken sie damit gerade das Gegenteil dessen, was sie gerne haben wollen."
"In demselben Seminar wies Prof. Karol Gábris, Dekan der lutherischen Fakultät in Bratislava, darauf hin, die letzte versuchte Gegenreformation in der Slowakei habe im Zuge des Zweiten Weltkrieges stattgefunden. Folglich stellte er fest: "Wir waren noch nie so gleichberechtigt wie jetzt." Prof. Ondra meinte, man dürfe darum "nicht prinzipiell unzufrieden sein mit der heutigen Lage. Wir sind darum nicht der Meinung, daß wir gegen den Staat zu kämpfen brauchen."
Am letzten Abend konstatierte die Delegation, es bestünde "trotz Differenzen mehr Gemeinsames als Trennendes unter uns". Gäste und Gastgeber stellten übereinstimmend fest, daß ein weiterer Ausbau der begonnenen Beziehungen notwendig und erwünscht sei. Weitere Delegationsmitglieder waren der Prager Pfarrer Jindrich Halama, Vorsitzender der Brüderunität, sowie Eugen Mikó, Pfarrer der Reformierten Kirche in Bratislava.
William Yoder
Berlin-West, den 23. Mai 1983
Diese Fassung ist erschienen im Evangelischen Pressedienst, Landesdienst Berlin, am 24. Mai 1983, 348 Wörter.