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Vortrag von Heinz Schladebach im Rahmen der Ev. Sammlung Berlin

Gegen eine "radikale Demokratisierung" der Kirchen

 

Da manchmal "die Sache Jesu Christi auf zwei Beinen steht", plädierte der Reinickendorfer Superintendent Heinz Schladebach in einem Vortrag der Evangelischen Sammlung in der Kapelle der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche am Freitagabend, 25.März 1983, für die Aufrechterhaltung des ordinierten Amtes und gegen eine angestrebte "radikale Demokratisierung der Kirche". Weil die "Wortverkündigung und Sakramentenverteilung" im Gottesdienst "die verbindliche Mitte der Kirche" bildeten und alle anderen "Werke der Liebe" nur "Emissionen" aus dieser Mitte seien, dürfe die "viel propagierte Nivellierung, Einebnung und Einstampfung des ordinierten Amtes" nicht hingenommen werden. Darum sei die im allgemeinen Dienstrecht erstrebte kirchensoziologische "Gleichschaltung aller Fachleute" - wo sämtliche kirchlichen Fachleute einschließlich Theologen "gleichsam nebeneinander stehen" - zu verurteilen. Schladebach fügte aber hinzu, er habe keine Einwände gegen die "gesellschaftlichen und besoldungsmäßigen Züge" des allgemeinen Dienstrechts.

 

"Federführend" bei der "Großkonzeption" einer "radikalen Demokratisierung" sei - statt Christus - Jean-Jacques Rousseau mit seiner Parole von Gleichheit, Freiheit und Brüderlichkeit, denn die "fantastisch geplante, im Gesellschaftsvertrag geordnete ideologische Gesellschaft" rechne nicht "mit der Leiblichkeit Jesu Christi". Dieser "fein geschliffene" Versuch einer "radikalen Demokratisierung" sei "ideologisch schwärmerisch, zeitlos, ungeschichtlich und rechnet" "nicht mit der Sünde"; er werde "gedacht und gesehen ohne die Barmherzigkeit Gottes".

 

Schladebach, der seit einem Jahr dem Leiterkreis der Evangelischen Sammlung angehört, plädierte für das Recht der Frau auf Ordination und somit gegen die Haltung des. Vorsitzenden Reinhold George; er bedauerte, daß die Frage der Frauenordination in der März-Ausgabe der Zeitschrift "Evangelische Sammlung" eine "über Gebühr anachronistische Rolle gespielt hat". In Anbetracht des Neuen Testaments (Galater 3,28) scheine ihm "eine Geschlechterspekulation über die Berufung der Frau als schlechterdings unmöglich und unbiblisch zu sein". Er sagte ferner: „Daß 'das Weib in einer Gemeinde schweige', kann ich mir nur aus der antiken Anthropologie erklären, die wir heute mit sachlicher Empörung zurückweisen müssen."

 

Hinsichtlich der "Großkonzeption" meinte Schladebach, man sei "auf die Auseinandersetzung mit ihr geistlich und theologisch noch gar nicht vorbereitet"; dennoch müsse die Sammlung "inhaltlich und positiv" in einen "brüderlichen Sachstreit" treten und deutlich erklären, "was sie will". Sie habe "davon abzukehren, nur Mißstände in unserer Kirche aufzuzeigen", denn ein Pochen auf das Skandalöse sei "immer eine gewisse Verführung".

 

William Yoder

Berlin, den 26. März 1983

 

Erschienen im Evangelischen Pressedienst, Landesdienst Berlin, am 28. März und im Berliner Sonntagsblatt am 3. April 1983, 346 Wörter.